Rente - Generationenvertrag

Immer weniger zahlen für immer mehr

22. September 2025
Redaktion ichbinarzt

Immer weniger Schultern müssen immer größere Lasten stemmen. Wie lange hält dieses Ungleichgewicht noch?

Die demografische Entwicklung in Deutschland verändert Gesellschaft, Politik und Wirtschaft grundlegend. Immer weniger Jüngere müssen für immer mehr Ältere aufkommen – sei es bei Renten, Gesundheitskosten oder bei der Beseitigung von Umweltschäden. Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 klargestellt, dass eine Verschiebung von Lasten auf kommende Generationen nicht länger hinnehmbar ist. Generationengerechtigkeit wird damit zu einem zentralen Thema unserer Zeit.

„Es ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit, verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen, Wachstum zu schaffen und Vertrauen in die Problemlösungskompetenz des Staates zurückzugewinnen.“ (Koalitionsvertrag 2021–2025, Mehr Fortschritt wagen)

Alternde Gesellschaft: die Fakten

Deutschland steht vor einem tiefgreifenden demografischen Wandel. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird der Anteil der über 50-Jährigen bis 2060 auf mehr als 50 % steigen. Zum Vergleich: 1950 lag dieser Anteil noch bei 27 %, heute sind es bereits 45 %.

Die Gründe liegen auf der Hand: Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen – bei Männern um rund 20 %, bei Frauen um etwa 13 %. Gleichzeitig ist die Zahl der Geburten stark zurückgegangen. Die Bevölkerungsstruktur verschiebt sich dadurch in Richtung einer immer älteren Gesellschaft.

Diese Entwicklung hat weitreichende Folgen: Sie betrifft nicht nur das Gesundheitswesen und die Rentenversicherung, sondern auch Umweltpolitik, Wirtschaft und die Funktionsweise der Demokratie.

Gesundheitssystem im Dauerstress

Die letzten Lebensjahre eines Menschen sind in der Regel die teuersten. Mit zunehmendem Alter steigt die Krankheitsanfälligkeit, und der medizinische Fortschritt ermöglicht immer mehr Behandlungen auch im hohen Alter. Das steigert die Lebenserwartung – erhöht aber auch die Kosten.

2015 verursachten die über 65-Jährigen fast 50 % aller Krankheitskosten in Deutschland, obwohl sie nur 21 % der Bevölkerung stellten. Damit wird deutlich: Der wachsende Anteil älterer Menschen belastet das Gesundheitssystem nachhaltig.

Die Finanzierung erfolgt über Beiträge und Steuern, die überwiegend von den Jüngeren getragen werden. Für sie bedeutet das steigende Abgaben und zugleich die Sorge, ob das System auch in Zukunft stabil bleibt.

Rentensystem am Limit

Die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert nach dem Umlageprinzip: Erwerbstätige finanzieren die laufenden Renten und erwerben damit Ansprüche für ihre eigene Zukunft. Dieses System ist solidarisch, aber empfindlich gegenüber dem Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern.

1950 waren nur rund 10 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Heute liegt dieser Anteil bei 21 % – mehr als doppelt so viel. Zwar ist die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen, doch reicht dies nicht aus, um die wachsende Belastung aufzufangen.

Die Konsequenzen sind absehbar: Ohne Reformen entstehen Finanzierungslücken. Diese lassen sich nur durch höhere Beiträge, zusätzliche Steuerzuschüsse oder Leistungskürzungen schließen. Da Kürzungen bei niedrigen Renten kaum durchsetzbar sind, werden die Erwerbstätigen voraussichtlich stärker belastet – also erneut die jüngere Generation.

Umweltkosten auf die lange Bank

Neben Gesundheit und Rente ist auch die Umweltpolitik ein Feld, auf dem Lasten verschoben werden. Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 entschieden, dass die heutigen Generationen künftige Generationen nicht unverhältnismäßig durch Umwelt- und Klimaschäden belasten dürfen.

Faktisch leben wir aber genau nach diesem Prinzip: Die Kosten von Umweltverschmutzung, Müll und CO₂-Ausstoß sind in den Preisen von Konsum- und Wirtschaftsgütern kaum enthalten. Unsere Wohlstands- und Konsumgesellschaft ist dadurch indirekt subventioniert. Die Folgen – Klimawandel, Ressourcenverbrauch, Vermüllung – werden erst in Zukunft bezahlt.

Das Gericht hat hier eine klare Grenze gezogen: Politische Entscheidungsträger müssen Klimapolitik so gestalten, dass sie auch für die kommenden Generationen tragfähig bleibt.

Demokratie im Stresstest

Eine weitere Folge der Alterung zeigt sich in der politischen Landschaft. Von den rund 60 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland sind fast 58 % älter als 50 Jahre. Diese Mehrheit bestimmt die Richtung der Politik – und sorgt dafür, dass Renten- und Gesundheitsthemen oft stärker gewichtet werden als langfristige Zukunftsfragen.

Für die Jüngeren führt das zu Frust. Sie erleben ihre Interessen – etwa Umwelt, Klima oder eine neue Work-Life-Balance – in den etablierten Parteien kaum repräsentiert. Das Ergebnis: Bewegungen wie Fridays for Future gewinnen an Bedeutung, während die traditionellen Parteien bei jungen Wählern zunehmend an Einfluss verlieren.

Diese Entwicklung deutet auf einen wachsenden Generationenkonflikt hin. Während die ältere Generation auf Besitzstandswahrung setzt, drängen Jüngere auf nachhaltige Lösungen und mehr Zukunftsorientierung.

Ausblick

Die Alterung der Gesellschaft ist eine Tatsache, die sich nicht umkehren lässt. Umso wichtiger ist es, faire und tragfähige Konzepte für Rente, Gesundheit und Umwelt zu entwickeln. Gelingt das nicht, droht eine zunehmende Spaltung zwischen Jung und Alt.

Dass das Bundesverfassungsgericht das Thema Generationengerechtigkeit in der Klimapolitik aufgegriffen hat, ist ein ermutigendes Signal. Ob ähnliche Impulse auch für Renten und Gesundheit folgen werden, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Die Debatte wird weiter an Schärfe gewinnen.