Mittwoch, 14. Juni

Alles beginnt mit der Bettpfanne

Pflegepraktikum

von Johanna Weiß

Es sind wieder Semesterferien. Dies ist eine Zeit, in der Medizinstudenten verschiedene Praktika absolvieren. Vor dem Physikum ist es das Pflegepraktikum, in der Klinik sind es dann die Famulaturen und das PJ. Diese Praktika dienen dazu, auch mal praktische Dinge zu lernen und hinter die Kulissen zu schauen. Was lernt man dann aber wirklich?

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Das Pflegepraktikum vor dem Physikum soll den Studenten einen ersten Einblick in den Krankenhausalltag geben. Man lernt den Umgang mit kranken und pflegebedürftigen Menschen und erste kleine praktische Fertigkeiten wie Blutdruck oder Blutzucker messen. Je nachdem auf welcher Station man dann arbeitet, lernt man auch, Verbände anzulegen oder Patienten richtig zu lagern, damit keine Druckgeschwüre entstehen oder zu waschen.

Da ich bereits eine Ausbildung als Arzthelferin hatte, wurde mir ein Monat des Pflegepraktikums anerkannt und ich brauchte nur noch zwei Monate zu absolvieren. Doch in diesen zwei Monaten habe ich sehr viel gesehen und gelernt.

Mein erstes Pflegepraktikum habe ich in einem onkologischen Krankenhaus absolviert. Zum ersten Mal hatte ich Kontakt mit schwer kranken und teils sterbenden Menschen. Das war auch für mich neu. Im Vorfeld war ich sogar etwas nervös, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde und wie ich darauf reagieren werde.

Dann kam der erste Tag. Ich kam auf eine Station mit einem sehr netten Pflegeteam. Alle waren sehr hilfsbereit und zeigten mir viel. Wenn ich eine Frage hatte, war immer jemand da, der sie mir gern beantwortete. Ich lernte, wie man Patienten richtig wusch oder lagerte. Auch Blutdruck und Fieber messen, Essen austeilen, Bettpfannen leeren und sauber machen gehörten zu meinen Aufgaben. Wenn es einmal nichts auf der Station zu tun gab, durfte ich auch zu Untersuchungen kleineren Eingriffen mitgehen.

Ich bin sehr froh, dass ich dort ein Praktikum absolviert habe, denn es kam der Zeitpunkt, als der erste Patient im Sterben lag. Ich gebe ehrlich zu, dass ich damals Berührungsängste hatte und mich kaum in das Krankenzimmer traute. Wie soll man mit einem Patienten umgehen, der bald sterben wird?

Die Schwestern auf der Station merkten, dass es mir so ging und begleiteten mich dann stets in diese Zimmer. Ihre Hingabe im Umgang mit den Patienten nahmen mir Stück für Stück meine Berührungsängste. Zum Ende meines Praktikums begleitete ich dann sogar einen Patienten beim Sterben. Ich hatte ihn in den letzten Wochen betreut und etwas kennengelernt. Wir hatten beide einen guten Draht zueinander. Als er dann verstarb, hielt ich ihm die Hand. Diese Erfahrung habe ich bis heute nicht vergessen.

Ich hatte auf dieser Station eine tolle Zeit und ein super Team. Der Abschied von dieser Station fiel mir sehr schwer. Ich habe so viel gelernt und mitgenommen, gerade in Bezug auf den empathischen Umgang mit Patienten und den respektvollen Umgang miteinander innerhalb eines medizinischen Teams. Ich bin bis heute dankbar dafür.

Doch das läuft nicht überall so. Bei meinem zweiten Praktikum war ich auf einer gastroenterologischen Station der Uniklinik. Ich hatte keine Probleme, mich ins Team einzufügen. Jedoch war es hier wirklich davon abhängig, welche Schwester gerade Dienst hatte. Viele Studenten beklagen, dass sie während des Praktikums gern für die unbeliebten Arbeiten ausgenutzt werden. Auch ich habe diese Erfahrungen gemacht.

Je nachdem, welcher Schwester ich zugeteilt wurde, kam es vor, dass ich den ganzen Tag alle unangenehmen Aufgaben zugeteilt bekam. Wenn ich einmal um Hilfe bat,  z.B.wenn ich einen übergewichtigen Patienten zu windeln hatte, wurde mir nur gesagt, dass ich das allein können müsse. Man hatte das Gefühl, dass manch einer förmlich darauf wartete, dass man Fehler machte. Eine andere Schwester übertrug mir alle möglichen Aufgaben und ging dann alle halbe Stunde rauchen und war bei Fragen nicht erreichbar.

Das sind in der Tat Dinge, die viele Studenten beklagen. Dass die Praktikanten als unbezahlte Hilfskräfte für unangenehme oder ungeliebte Aufgaben ausgenutzt werden, ist einer der größten Vorwürfe, die hierbei laut werden. Auch haben viele Studenten das Gefühl, dass so manch eine Pflegekraft es genießt, dass man als Student quasi das letzte Glied in der Kette ist und noch herumkommandiert werden kann. Ich habe während meiner Praktika zwei recht gegensätzliche Erfahrungen gemacht und kann daher diese Vorwürfe nicht komplett von der Hand weisen.

Es werden Forderungen laut, das Pflegepraktikum abzuschaffen. Das halte ich jedoch nicht für sinnvoll. Ich finde es gut, dass man als Medizinstudent einen Einblick erhält, wie die Arbeit einer Pflegekraft aussieht. Es kann den gegenseitigen Respekt und das gegenseitige Verständnis füreinander sehr fördern. Doch um das zu erreichen, stehen auch beide Seiten in der Pflicht, das umzusetzen.

Lernt man als Student die Pflege als hilfsbereiten Partner kennen, der einem bei Fragen zur Seite steht und unterstützt, wird man das als Arzt nicht vergessen haben. Zeigt man sich wiederum als Student hilfsbereit und unterstützend und lässt nicht den arroganten „Fast-Arzt“ raushängen (was ehrlich gesagt, der ein oder andere gern tut), dann wird man ebenfalls die Unterstützung der Pflege bekommen. Natürlich gilt auch hier „Ausnahmen bestätigen die Regel“!

Als das Physikum dann bestanden war, verfolgten die Praktika ein anderes Ziel. Welche Erfahrungen ich während meiner Famulaturen gemacht habe, erzähle ich euch beim nächsten Mal.

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