Arztbesuch
Ein kleiner Angsthase steckt doch in jedem von uns. Selbst wir Mediziner sind davor nicht gefeit. Werden wir selbst zu Patienten, wird auch uns manchmal mulmig zumute.
Etienne Girardet NJ7 | unsplash.com
Ein Arztbesuch kann für den einen oder anderen mit Angst und Schrecken einhergehen. Schon als Kind war es gruselig. Da kommt jemand im weißen Kittel und leuchtet dir grell in die Augen. Diverse Dinge, wie Mundspatel, Thermometer oder Otoskope werden in alle möglichen Körperöffnungen geschoben. Und wenn man ganz großes Pech hat, kommt auch noch die große Nadel und wartet mit höllischen Schmerzen auf. Am Schluss soll dann so ein doofer Lolli alles wieder gut machen.
Ist man erwachsen, gibt es keine Lollis mehr. Aber sind wir dann nicht genauso tapfer? Piekst dann nicht die Spritze genauso schlimm? Ich bin ja sehr für die Einführung von Tapferkeitslollis in Arztpraxen und Krankenhäusern. Der Gesundheit zuliebe auch gern als Lightversion. Und bei den Milliardenüberschüssen, die unsere Krankenkassen erwirtschaften, zahlen diese bestimmt gern dafür.
Nun sollte man meinen, dass man als Mediziner abgeklärter ist. Schließlich hat man ja schon vieles gesehen oder gar selbst durchgeführt. Man hat Patienten Dinge abverlangt, die eigentlich mehr als nur einen Lolli verdient hätten.
Aber was passiert, wenn wir Ärzte, Studenten und Pfleger selbst zu Patienten werden?
Ich bin ganz ehrlich. Was hab ich schon alles hinter mir. Da wurden diverse Dinge operiert und fremde Leute lernten mit Hilfe eines Endoskops mein Innerstes kennen. Und ich habe mich tapfer gestellt und alles furchtlos über mich ergehen lassen. Aber diese Furchtlosigkeit kommt nicht von ungefähr. Ich weiß natürlich ganz genau, wie diverse Untersuchungen und Operationen ablaufen. Also kommt nichts Unbekanntes auf mich zu. Der eigentliche Grund aber ist, dass ich weiß, dass man mich ins Land der Träume schickt und ich mich hinterher an nichts mehr erinnern kann.
Wenn ich aber an meinen Erzfeind denke, komme ich leider nicht mehr so einfach drum herum. Der Zahnarzt. Schon der Anblick des Stuhls und der Instrumente treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Mich erfasst dann die nackte Angst. Alles ist auf Flucht eingestellt. Hier kann ich nämlich schlecht sagen: „Ich hätt‘ gern eine Narkose!“
Die Vernunft treibt einen schließlich doch auf den Stuhl. Mund weit auf und los geht’s. Es schieben sich Finger und gefühlte Millionen Gerätschaften in den Mund. Die nette Zahnarzthelferin bleibt mehrfach mit dem Sauger an deiner Zunge hängen und der Zahnarzt stellt dir eine Frage nach der anderen und erwartet eine Antwort.
Gut, ich rede während einer Untersuchung ja auch mit dem Patienten. Nur stecken meine Finger dann nicht unbedingt in dieser Öffnung und der Patient kann frei reden. Die Frage ist nur, ob er das dann will?
Leider blieb es dieses Mal nicht bei der einfachen Untersuchung. Die Weisheitszähne müssen raus. Klasse. Ich durfte freundlicherweise wählen. Entweder erst die eine, dann die andere Seite in örtlicher Betäubung. Oder alle vier Zähne auf einmal in Narkose. Meine Antwort ist wohl klar. Ich begebe mich mal wieder ins Land der Träume. Tapfer, oder?
Aber ich bin nicht allein. Da ist der Notarzt, der schon die schlimmsten Verletzungen gesehen hat und Menschen hat sterben sehen. Sein absolutes Grauen sind Augen. Alles, was mit Augen zu tun hat – ob bei ihm selbst oder aber am Patienten. Und da ist der Krankenpfleger, der ofenrohrgroße Nadeln in Gefäße von Patienten schiebt. Aber wehe die Nadel richtet sich auf ihn.
Sicher kennen wir uns besser aus. Und es fällt einem leichter sich einer Untersuchung oder einer Behandlung hinzugeben, wenn man genau weiß, wie es funktioniert. Aber trotz allem haben auch wir unsere Achillesfersen. Denn letzten Endes sind wir auch nur Menschen.
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