Donnerstag, 15. Juni

Bibliothek oder Couch

Bequemlichkeit und dann Nachtschichten

von Johanna Weiß

Das Semester geht wieder los und das bedeutet, dass die Zeit des Lernens wieder anbricht. Vorbei ist es nun mit Ausschlafen und Seele baumeln lassen. Dicke Bücher, Kaffee und Nachtschichten bestimmen bald wieder den Alltag. Damit das Lernen auch effektiv ist, muss man sich eine gute Lernatmosphäre schaffen. Doch was ist eine gute Lernatmosphäre? Und wo lernt es sich am besten – zu Hause oder in der Bibliothek?

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chocolat01 / pixelio.de

Wie mein Lernalltag zu Hause aussieht, habe ich euch ja schon einmal berichtet. Es gibt tausende Dinge, die ablenken. Da ist mein Mann, mit dem ich auch gern Zeit verbringen möchte, der Fernseher, das Telefon, mein Bett und mein Kater Tom. Aber nicht nur die schönen Dinge lenken ab. Ganz plötzlich werden sonst ungeliebte Tätigkeiten, wie Aufräumen, Abwaschen, Wäsche waschen oder Staubsaugen höchst interessant und wichtig. Ich kann mich doch gar nicht richtig konzentrieren, wenn noch das ganze Geschirr in der Küche steht. Nun ja, zumindest rede ich mir das gern ein. Um das alles zu umgehen, muss also eine Lösung her.

Meine Lösung nennt sich Bibliothek. An Tagen, an denen mein innerer Schweinehund nicht gewinnt, mache ich mich dann auf in die heiligen Hallen des Wissens. Um dorthin zu gelangen, muss ich immerhin eine dreiviertel Stunde Fahrt auf mich nehmen. Dort angekommen, mache ich mich auf den Weg in die Katakomben – der Lesesaal liegt im zweiten Untergeschoss.

Gerade in Prüfungszeiten ist es sinnvoll, rechtzeitig zu kommen, denn auch hier gilt „Der frühe Student bekommt einen Arbeitsplatz.“. Ich suche mir einen Platz und breite meine Arbeitsutensilien aus. Los geht’s. Es ist 9 Uhr und der Lesesaal ist gerade mal zur Hälfte gefüllt. Aber das ändert sich ganz schnell. Innerhalb kürzester Zeit sind fast alle Plätze besetzt und es beginnt das Wettrennen der Nachkömmlinge um die letzten Plätze.

Die Erbauer der Bibliothek haben auch keine Kosten gescheut und den Lesesaal mit hochwertigem Parkett ausgelegt. Sieht gut aus und klingt noch besser. Ich habe gerade eine halbe Stunde intensiven Lernens hinter mich gebracht, da erklingt ein Konzert von klackernden High Heels. „Klack, klack, klack“ – kein Platz frei. „Klack, klack, klack“ – hier auch nicht. Die ersten Lesenden verdrehen schon die Augen. Nach gefühlten 1000 weiteren Schritten hat das Konzert endlich ein Ende und die Dame hat einen Arbeitsplatz gefunden.

Ich begebe mich wieder vollständig in die Welt meiner Bücher, als meinem Nachbarn plötzlich die Nase läuft. „Schnief, schnief“ – na toll. Ich gucke herüber, aber er schaut ganz konzentriert in seine Bücher. „Schnief, schnief“ – das geht noch einige Minuten so weiter. Ich schiebe ihm meine Packung Taschentücher rüber. „Danke, ich hab mich nicht getraut, zu fragen.“ Flüstert er zurück. Kaum ist das Schniefen beendet, hustet drei Plätze weiter der Nächste.

Außer mir sitzen noch drei Kommilitonen mit im Saal. Über wilde Gestik und Mimik verabreden wir uns quer durch den Raum zu einer Mittagspause in 10 Minuten. Wir treffen uns in der Cafeteria, trinken ein Käffchen, essen eine Kleinigkeit und quatschen. Das tut gut. Ein halbe Stunde einfach mal abschalten. Als unsere veranschlagte Pausenzeit sich langsam dem Ende nähert, fallen uns plötzlich alle möglichen Dinge ein, über die wir noch reden wollten. Aus einer halben Stunde wird dann eine ganze. Aber wir sind doch vernünftig und so raffen wir uns auf und legen wieder mit der Arbeit los.

Es ist Mittagszeit und wir waren nicht die einzigen, die Mittag gegessen haben. Nun scheint vielen Lernenden das Essen schwer im Magen zu liegen und die ersten Köpfe sinken auf die Tische. Auch meine Augen werden schwer und ich beschließe, für ein paar Minuten die Augen zu schließen. Ich schrecke hoch, als die bekannte Microsoft©-Musik durch den Saal hallt. Jemand hat vergessen, seinen Laptop leise zu stellen. Mein Gegenüber grinst mich an und zeigt auf meine Stirn. Oh je, ich habe einen Abdruck meiner Federtasche im Gesicht.

Ich trinke einen Schluck Wasser und fange wieder an zu Lernen. Gegen 16 Uhr beschließe ich, wieder nach Hause zu fahren. Mein Lernziel für heute ist erreicht. Ich bin ein bisschen stolz auf mich und weiß, dass ich das zu Hause niemals geschafft hätte. Dort hätte mich viel zu viel abgelenkt.

Leider sind um diese Uhrzeit viele Leute unterwegs. Der Bus ist so voll, dass ich mich nicht einmal festhalten muss. Ich würde auch bei einer Vollbremsung nicht umfallen. Eigentlich könnte man hier auch solche „Verkehrsmittelstopfer“ einstellen, wie man sie von den japanischen U-Bahnen kennt. Da Berufsverkehr herrscht, brauche ich fast eine Stunde nach Hause. Das ist ganz schön lang und oft der Grund, warum ich aus Bequemlichkeit zu Hause bleibe.

Eigentlich ist aber die Bibliothek für mich der bessere Lernort. Hier liegt einfach eine Lernatmosphäre in der Luft, die ich zu Huase nicht habe. Trotzdem werde ich während des Semesters wahrscheinlich eher zu Hause lernen, denn der Weg zur Bibliothek ist schon weit, Aber wenn die Vorbereitung auf mein Examen beginnt, wird die Bibliothek wohl zu meinem zweiten Zuhause. Zum Glück trifft man hier auch oft Kommilitonen, mit denen man in der Pause ein wenig Ablenkung findet und sich auch bei Fragen gegenseitig helfen kann. Ich hoffe nur, dass ich die richtigen Leckerlis für meinen Schweinehund finde, damit er in dieser Zeit dann ganz zahm bleibt und freiwillig das Haus hütet.

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