Mittwoch, 14. Juni

Die Urangst vorm Arztbesuch

Der erste Eindruck zählt

von Gabriele Brähler

Viele Faktoren entscheiden, ob sich Patienten in einer Praxis oder Klinik wohlfühlen. Es lohnt sich für Ärztinnen und Ärzte, einmal mit den Augen eines Besuchers durch die eigenen Räume zu gehen und die Abläufe aus Sicht des Behandelten zu betrachten. Eine Einladung zu einem vielleicht aufschlussreichen Perspektivwechsel.

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Anders Wetterstam | unsplash.com

Abläufe und Beratungsprozesse werden manchmal im Laufe der Jahre zur Routine und so aufmerksam wahrgenommen wie die Yucca-Palme, die seit Jahren im Wartezimmer ihr Dasein fristet. Mit der Routine schleicht sich an der einen oder anderen Stelle gerne der Schlendrian ein. Wer ab und an mit den Augen eines Erstbesuchers seine eigenen Räume wahrnimmt, kann Störfelder aufspüren und beseitigen.

Der erste Eindruck zählt

Die Alltagsweisheit, der erste Eindruck zählt, gilt auch für eine Praxis. Wirkt der Empfang hell und einladend? Sind die Räume aufgeräumt oder türmen sich Stapel von Zeitschriften und Broschüren auf Schreibtischen und Regalen? Liegen Zeitschriften aus, um Wartezeiten zu überbrücken, oder gibt es sogar moderne Informationsmedien wie bewegte Bilder auf einem Bildschirm? Ist alles sauber und gepflegt oder tummeln sich in den Ecken Staubmäuse? Wer mit dem Blick eines Externen durch alle Räume geht, erkennt in wenigen Minuten schnell, wo die Putzfrau einmal Hand anlegen sollte oder wo monatelang aufgetürmte Papierstapel einfach in den Müll wandern können.

Professionelle Planung

„Mit einer vorausschauenden Planung bei der Gestaltung von Behandlungs- und Aufenthaltsräumen lassen sich gezielt positive Akzente setzen“, weiß Christine Neuhaus, leitende Architektin für die Dr. Becker Klinikgesellschaft aus Köln. „Dabei sollen Größe, Licht, Farben und auch die Möblierung die Funktion des Raums unterstützen. Räume für Beratungsgespräche zwischen Therapeut und Patient sind meist klein, damit sich dort niemand verloren fühlt. Ein Schulungsraum für Veranstaltungen sollte beispielsweise möglichst neutral eingerichtet sein und nicht mit bunten Bildern viele Reize aussenden. Wir planen Räume für psychosomatische Kliniken in weicherem Tageslicht als etwa neurologische Abteilungen, bei denen eher eine medizinische-neutrale Atmosphäre gewünscht wird.“

Auch die Frage der Möblierung will wohl überlegt sein. „Sessel mit weichen Oberflächen in Kombination mit Teppichboden sprechen eine andere Sprache als stapelbare Kunststoff-Stühle auf PVC-Boden. Soll eine Einladung ausgesprochen werden, es sich bequem zu machen, oder wird signalisiert, dass es sich um kurze Wartezeiten in einem funktionellen Umfeld handelt? Jedes Detail der Inneneinrichtung übt eine Wirkung auf die Menschen aus und kann bewusst eingesetzt werden“, so die Architektin. „Die Hilfe von Experten ist deshalb so wichtig bei der Einrichtung oder Umgestaltung von Räumen im medizinischen Bereich.“

Freundlichkeit zählt

Zeit ist in vielen Praxen ein rares Gut. Mit dem Zeitdruck wird der Blick auf den einzelnen Menschen unschärfer. Auch die Freundlichkeit und die Bereitschaft, auf Fragen einzugehen, lassen nach. Hier können regelmäßige Schulungen oder interne Qualitätszirkel immer wieder die Aufmerksamkeit der Praxismitarbeiter darauf lenken, wie wichtig es ist, den Patienten als Kunden wahrzunehmen und auch mit einem ernst gemeinten Lächeln Hilfsbereitschaft auszudrücken.

Sich Zeit nehmen für den Patienten ist ein Thema, das aber nicht nur die Praxisteams betrifft. Volle Wartezimmer üben Druck aus – auch bei Ärzten und Therapeuten. So mancher Patient kennt den Schnelldurchlauf im Behandlungszimmer. Im Stress bleibt der Blick des Mediziners auf den Bildschirm mit den aktuellen Untersuchungsergebnissen oder die vor ihm liegenden Unterlagen geheftet. Zeit für Nachfragen bleibt in einer solchen Situation kaum. „Patienten wollen angesehen werden und auch verstehen, was mit ihnen passiert“, erklärt Detlev Marx. „Auch unter stressigen Bedingungen wünscht sich der Patient konzentrierte Ruhe und Erklärungen von Diagnosen oder Therapien, die er versteht.“

Ärztebewertungen

Wer als Praxisinhaber wissen will, was Patienten über Behandler und ihr Team denken, braucht oft nur einen Blick ins Internet zu werfen. Portale wie www.jameda.de oder www.docinsider.de liefern mit wenigen Klicks wertvolle Informationen. „Extrem lange Wartezeiten trotz eines Termins“ – wer solch einen Hinweis mehrfach liest, sollte vielleicht überlegen, wie die Praxisorganisation verbessert werden könnte.

Serviceleistungen und Informationen

Sind Parkplätze vorhanden, wie ist die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, werden kostenlose Broschüren zu Krankheitsbildern, Dienstleistern oder prophylaktischen Maßnahmen bereitgestellt? Gibt es Veranstaltungen zu aktuellen Themen? Auch diese Aspekte prägen den Eindruck von einer Praxis. Bietet eine Praxis Informationen an – über die Ärzte, das Team, Erfahrungen, Leistungen oder besondere Schwerpunkte? Eine Praxis-Website sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein, um dem suchenden Patienten schnelle Antworten auf wesentliche Fragen zu präsentieren.

Die Bundesärztekammer hat für Patienten eine Checkliste herausgegeben. Ihr Titel: Woran erkennt man eine gute Arztpraxis? Im Internet zu lesen unter: www.bundesaerztekammer.de/downloads/Checkliste_Arztpraxis_3_Auflage.pdf. Wer als Praxisinhaber seine eigenen Abläufe einmal kritisch durchleuchten möchte, kann hier durchaus sinnvolle Ansätze finden.

Zufriedene Patienten unterstützen die Therapie

Eine Vielzahl von Aspekten entscheidet darüber, ob sich Patienten in einer Praxis oder Klinik wohl fühlen. Wer sich in guten Händen weiß, bringt Vertrauen in die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen mit und empfiehlt den Mediziner auch gerne an Freunde und Bekannten weiter.

„Alles in allem kann ich diese Klinik jederzeit jedem weiterempfehlen – und das werde ich auch tun.“ Wer auf diese Weise heute von Patienten gelobt wird, muss weiter aktiv bleiben, um auch morgen oder übermorgen ähnliche Worte zu hören. Kontinuierliches Qualitätsmanagement steht in der medizinischen Praxis auf allen to-do-Listen, muss aber jeden Tag mit neuem Leben gefüllt werden.

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