Dienstag, 13. Juni

Die wollen doch nur helfen

Roboter in der Pflege

von Denise Peikert, Journalistin

Entmenschlichung oder dringend nötige Hilfe? Der Einsatz von Robotern in der Pflege ist ethisch umstritten. Pilotprojekte zeigen aber: Die Maschinen werden kommen - denn sie sind gut.

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Graphik und Illustration von Ilona Burgarth

Roreas ist niemand, den man einfach so siezt. Allzu treuherzig schaut er einen aus seinen Kulleraugen an. Roreas ist ein Roboter, und er ist ein Prototyp. Er soll Schlaganfallpatienten helfen, wieder laufen zu lernen. Ein Jahr lang ist er zwischen 2015 und 2016 in der Fachklinik für medizinische Rehabilitation in Bad Liebenstein in Thüringen eingesetzt worden. Er ist mit den Patienten die Flure auf und abgegangen, hat ihre Fortschritte gespeichert, zum Weiterüben motiviert und manchmal mehr getan als er sollte. Die Mediziner, die an dem Projekt beteiligt waren, berichten davon, dass die Patienten mit dem Roboter viel einfacher ins Gespräch kamen, als mit Menschen: Seine Sätze waren leicht, die Hemmschwelle gering.

Roboter sind in unserem Leben ganz normal. Sie räumen Lagerregale ein, setzen Autos zusammen, verbinden Kunden zum richtigen Mitarbeiter in Callcentern. Pflegen und Heilen aber - das sind bislang Aufgaben für Menschen. In diesen hochsensiblen Bereichen ist der Einsatz von Robotern ethisch umstritten.

Dabei ist es gerade die Pflegebranche, die vom demografischen Wandel besonders betroffen ist: Während die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, entscheiden sich immer weniger Menschen für eine Arbeit im Seniorenheim. Gleichzeitig scheiden ältere Pflegekräfte wegen der hohen körperlichen und psychischen Belastung frühzeitig aus dem Beruf aus.

Welche menschliche Tätigkeit kann also ein Roboter ersetzen - und wollen wir, dass er das tut? Mit dieser Frage hat sich Michael Decker am Institut für Technologie in Karlsruhe lange beschäftigt. Decker hat viel mit Projekten für Demenzkranke zu tun gehabt und dabei festgestellt: "Bei den meisten Aufgaben, die direkt mit dem Patienten zu tun haben, ist es nicht sinnvoll, sie von einem Roboter erledigen zu lassen."

Ansonsten können Roboter aber vieles: Sie können Essen bringen, ablenken, wie Roreas ein einfaches Trainingsprogramm anleiten oder den Pflegern helfen, wenn sie Patienten anheben müssen. Japan ist Vorreiter in der Entwicklung von Pflegerobotern. Aber auch in Deutschland werden schon Modelle getestet. Über einige Projekte geben wir hier einen kurzen Überblick.

Pflegerobbe „Paro“

„Paro“ ist ein in Japan entwickeltes Kuscheltier, das aussieht wie eine Robbe. Es reagiert auf Bewegungen und die Worte der Patienten, denen es in die Hand gedrückt hat. Inzwischen wird es ganz regulär in einigen deutschen Pflegeheimen eingesetzt. Besonders Demenzkranke profitieren Tests zufolge davon. Sie werden aufgeschlossener und gesprächiger.

Das Prinzip dahinter ist längst bekannt. Bei Patienten mit neurologischen und psychischen Krankheiten gibt es mit der Tiertherapie viele positive Erfahrungen. Die verbale und haptische Kommunikation können das körperliche und seelische Wohlbefinden von Patienten verbessern. Der Einsatz von Tieren ist jedoch aufwändig. Allergien müssen berücksichtigt werden, die Hygiene und das Wohl der Tiere. Hinzu kommt: Es gibt Menschen, die Katzen nicht mögen. Und solche, denen der emotionale Zugang zu Hunden schwer fällt - das ist genau das Einsatzgebiet der Pflegerobbe Paro.

Care-O-Bot

Gefördert vom Bundesforschungsministerium und unter der Federführung des Fraunhofer Instituts wurden schon zwischen November 2008 und Oktober 2011 Bringroboter in der Pflege getestet - die sogenannte „Wimi-Care-Studie“ ist eine der frühesten und größten ihrer Art in Deutschland bislang. Im Dienst waren in der Zeit Casero und Care-O-bot.

  • Casero entlastet vor allem Haustechniker und Küchenpersonal. So fährt das Gerät zum Beispiel Essen über die Gänge. Näher am Menschen ist und arbeitet Care-O-bot: Er hat vier Rollen, ein Tablett und wahlweise einen Arm oder zwei davon mit drei Fingern. Er kann Mülleimer lehren, Wäsche transportieren und Senioren Getränke reichen.
  • Beide Modelle kamen zum Beispiel bei den Pflegekräften im Stuttgarter Parkheim Berg gut an. Silke Mlakar, die in der Einrichtung arbeitet, ist ihren Worten zufolge zufrieden, weil sie durch die elektronische Hilfe mehr Zeit für die Bewohner hatte: „Die Roboter konnten schon helfen, gerade beim Schmutzwäsche in den Keller bringen oder Sprudelkästen transportieren“, sagt sie.
  • Auch die Bewohner waren Care-O-Bot gegenüber aufgeschlossen. Er reichte ihnen zum Beispiel ein zuvor am Wasserspender befülltes Glas. "Die Bewohner haben durchweg positiv auf den Roboter reagiert und schnell verstanden, dass sie den Becher vom Tablett nehmen sollen", sagt Birgit Graf vom Fraunhofer Institut.
  • Einziges Manko: Tatsächlich daraus getrunken haben die Senioren nur selten. Eines der Ziele bestehe nun laut Graf darin, "den Roboter überzeugender auftreten zu lassen, so dass er nicht nur als Zeitvertreib angesehen, sondern seine Aufforderungen zum Trinken von den Bewohnern auch ernst genommen werden."

Inzwischen gibt es den Care-O-Bot als Prototypen schon in der vierten Generation. Er bringt nicht nur Getränke, sondern an seinem Touchscreen gibt es auch ein interaktives Informationssystem. Künftig soll es möglich sein, damit kleine Denkaufgaben zu lösen, die die Bewohner von Altenheimen geistig mobilisieren. Für Care-O-Bot haben sich die Entwickler vor allem an einem orientiert: am Verhalten einer menschlichen Pflegekraft.

MoBiNa

Viele Menschen ziehen ins Pflegeheim, weil sie Angst haben, zu Hause nicht rechtzeitig gefunden zu werden, falls ihnen einmal etwas passiert. Weil aber auch im Seniorenheim nicht jederzeit eine Pflegekraft bei den alten Menschen sein kann, haben Forscher des Fraunhofer Instituts MoBiNa entwickelt: ein mobiles Notfallassistenzsystem.

MoBiNa kann zum Beispiel selbständig auf eine Person zufahren, wenn er bemerkt, dass diese gestürzt ist. Über seinen Bildschirm, die Lautsprecher und Mikrofone stellt er dann Kontakt zu Notfallzentrale her - ein System, was es irgendwann vielleicht auch ermöglichen könnte, dass Menschen so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben können.

Personenlifter Elevon

Große Aufmerksamkeit bekamen zuletzt solche Roboter, die den Pflegern eine ihrer körperlich härtesten Aufgaben abnehmen: "Robear" ist einer von ihnen, er hebt Patienten aus ihrem Bett in den Rollstuhl - und sieht dabei aus wie ein Bär.

Er ist ein gutes Beispiel für die Diskussion um die Grenzen der Robotik im Pflegealltag: Soll der Roboter gemeinsam mit einem pflegenden Menschen heranrollen? Oder ist es okay, wenn er selbst wie ein Lebewesen aussieht, den Smalltalk führt und fragt, wie es dem Patienten so geht?

In Deutschland versuchen Forscher diese Diskussion derzeit meist zu umgehen. So hat das Fraunhofer Institut einen Heberoboter entwickelt, der ganz und gar nicht niedlich aussieht, sondern nur sehr kompliziert: den Personenlifter Elevon.

Anheben zum Wechseln der Bettwäsche, Umsetzen auf einen Rollstuhl oder Baden: Schon bisher werden in Pflegeheimen für solche Tätigkeiten unterschiedliche Liftersysteme, zum Beispiel Hänge-, Gurt- oder Badelifter, eingesetzt. Solche Geräte eignen sich allerdings nur für die jeweiligen Situationen und sind nicht immer verfügbar. Häufig müssen sie erst aus einem anderen Raum geholt werden. Aus Zeitmangel bewegen Pfleger Senioren dann deshalb doch ohne Hilfe - eine kraftzehrende Aufgabe.

Elevon soll das Problem lösen. Er ist für alle Hebetätigkeiten gedacht, kann Senioren sowohl im Sitzen als auch im Liegen tragen. Außerdem können Pflegekräfte den Roboter elektronisch rufen - er kommt dann von alleine dahin, wo er gebraucht wird.

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