Mittwoch, 14. Juni

Eindruck schinden

Arbeitsplatz immer aufgeräumt

von Yavi Bartula

Ist der Schreibtisch ganz verschmiert, lebt es sich ganz ungeniert. Aber dann ist auch der Ruf des Arztes ruiniert. Wie das in einem Zusammenhang steht?

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Marcin Czerniawski | unsplash.com

Nun, eigentlich ganz einfach. Stellen Sie sich nur einmal vor, wie es wirkt, wenn Sie bei Ihrem Steuerberater ein katastrophales Papierchaos vorfinden. Überall fliegen Blätter umher, hier ein Zettel, da eine Akte, nur weit und breit keine systematische Ordnung. Sie werden ganz sicherlich an der Kompetenz Ihres Steuerberaters zweifeln und um die vollständige Prüfung Ihrer Unterlagen bangen. Ähnlich erginge es Ihnen auch, wenn Sie bei Ihrem Obsthändler verdorbenes Obst, unter den Nägeln Ihrer Kosmetikerin schwarze Rückstände oder in der Wohnung Ihrer Reinigungskraft eine kleine, private Mülldeponie vorwinden würden. Denn diese Dinge passen einfach nicht zusammen und Sie können davon ausgehen, dass die Mehrheit Ihrer Patienten skeptisch wäre, wenn Ihr Schreibtisch nach Einsteins Chaostheorie gestaltet wäre.

“Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos.”, hätte Einstein argumentiert, doch der Durchschnittspatient hält in der Regel nicht viel von solchen Thesen. Genau so, wie er sich im Restaurant an einen sauberen Tisch mit einwandfreiem Gedeck setzen möchte, erwartet er von seinem Arzt Professionalität im Umgang mit all seinen berufsbegleitenden Utensilien. Dafür gibt es ein mächtiges Argument, das Einsteins Idee augenblicklich zunichte und eine pauschale Geltung unmöglich macht: Hygiene.

Es gibt doch wirklich kaum einen anderen Beruf, in dem jemand so sensibel, gewissenhaft und verantwortungsvoll mit dem Körper eines fremden Lebewesens umgehen muss. Der Arzt soll nicht nur helfen und heilen, sondern den Patienten nicht noch kränker machen. Die extremen Fälle unsauberer Zustände sind uns allen unter Bezeichnungen wie MRSA bekannt. Zu tödlichen Krankenhausviren wird es nicht kommen, bloß weil Sie Ihren Papierkram nicht im Griff haben, doch vielleicht zum Verlust Ihres Ansehens, Gewissens und der Treue des einen oder anderen Patienten.

Schlüpfen Sie dafür doch einmal in seine Rolle und stellen Sie sich den idealen Behandlungsraum vor. Ganz klar: Insgesamt ist er sauber, ordentlich, freundlich. Auf dem Schreibtisch, an dem Sie beraten werden, steht vermutlich nur ein (möglichst zeitgenössischer) Rechner mit Tastatur – ohne Dreckflecken und Brotkrümel – , vielleicht noch ein Kalender, ein Notizblock, ein Stempel inklusive Kissen, ein Stifthalter, ein Telefon, eventuell noch eine kleine, frische und blühende Blume. Unter, neben und hinter dem Tisch stehen selbstverständlich keine Kisten mit unsortierten Akten oder gar altem Papiermüll, es fliegen keine Essensreste umher und ganz sicher auch keine medizinischen Werkzeuge. Ganz sicher ist auch, dass der Wohlfühlfaktor dann sofort da ist und Sie hin und weg und voller Vertrauen zu Ihrem Arzt.

Menschen sind in Ihrem Denkmuster eigentlich so einfach gestrickt, um nicht zu sagen naiv, wenn es um die Interpretation eines perfekten, stimmigen und sinngemäßen Berufsgesamtbildes geht. Ist der behandelnde Arzt einer von der ordentlichen, klaren, detailliebenden und sauberen Sorte (sowohl in seiner Optik als auch in seinem Wirkungsbereich), ist es seine Arbeit auch. Ist er das alles schon auf den ersten Blick nicht, ist die Vertrauensbasis brüchig. Es sei denn, der Patient ist Einsteins Meinung.

So. Ist der Schreibtisch also verschmiert, ist auch Ihr Ansehen ruiniert. Deshalb sei Ihnen wärmstens ans Herz gelegt, hin und wieder (zu Hause, im Büro, im Behandlungszimmer) einen Putzlappen in die Hand zu nehmen oder ihn in die erfahrenen Hände einer Putzdame zu legen, um nicht nur oberflächlich einen guten Eindruck zu machen, sondern auch einwand- und risikofreie Gesundheitsfürsorge zu leisten. Denn das ist nun mal Ihr Job.

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