Mittwoch, 14. Juni

Humor hilft heilen

Ärzte und Humor

von Natascha Plankermann

Eine Studie zeigt: Patienten freuen sich über Ärzte mit Humor. Den kann man jetzt sogar in Workshops trainieren, und darin geht es nicht (nur) ums Witze-Erzählen.

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Maria Lupan | unsplash.com

Humor ist, wenn man trotzdem lacht – dieser alte Spruch hat nichts Verstaubtes an sich, wenn man an die Situation von Patienten denkt, die ins Krankenhaus kommen: Das erleben sie nämlich laut einer Studie des „rheingold Institut“ als schmerzlichen und schicksalhaften Einbruch, sie fühlen sich aus ihrem Leben und Alltag herausgerissen. Die Analyse zeigt: Für die Patienten ist das Krankenhaus eine Gegenwelt zur heutigen Turbo- und Effizienz-Gesellschaft, in der sich viele Menschen in einem Zustand besinnungsloser Überbetriebsamkeit befinden. Plötzlich erleben sich Patienten als quasi stillgelegt und entmündigt. Weitgehend ohnmächtig geraten sie in ein fremdes Getriebe, eine „Schicksalsmühle“ mit oft schwer nachvollziehbaren Regeln – da gibt es wenig Amüsantes. Die Auszeit im Krankenhaus kann man allerdings auch als heilsam erleben, und daran hat eine humorvolle Haltung der Ärzte ihren Anteil. Das weiß auch der Medizinstudent Christoph Krause, der gemeinsam mit der Humortrainerin Katrin Hansmeier das Projekt „Arzt mit Humor“ ins Leben gerufen hat.

120 Interviews zu seelischen Prozessen

Wie eine heilsame Stimmung im Krankenhaus aussehen kann, hat die Diplom-Psychologin Birgit Langebartels vom „rheingold Institut“ in 120 jeweils zweistündigen Interviews (40 mit Ärzten, Pflegekräften und Patienten) herausgefunden. Dabei wurden die seelischen Prozesse und Überlebensstrategien von Patienten, Ärzten und Pflegekräften im Klinikalltag durchleuchtet und nachvollziehbar gemacht. Auftraggeber der im Herbst 2013 veröffentlichten Studie war die Stiftung „Humor hilft heilen“ von Dr. med. Eckart von Hirschhausen. „Als heilsam für den Genesungsprozess wird zum Beispiel Musik empfunden“, sagt Psychologin Langebartels. „Wenn es wöchentlich Konzerte mitten im Krankenhaus gibt, dann bedeutet das für die Patienten, dass sie ihre Station verlassen und sich wieder mehr dem Leben öffnen und nicht nur auf die Krankheit fokussieren.“ Gern gesehen und gehört werde es auch, wenn Ärzte oder Personal musizieren. Humor sieht sie unter den verschiedenen heilenden Prinzipien in einem Krankenhaus vor allem als „humanes Schmiermittel“ – wobei es nicht in erster Linie darum gehe, Witze zu erzählen. „Ein Scherz wird oft auf Kosten anderer gemacht und ist dann bissig“, erklärt die Psychologin. Humor sei eher als eine empathische Haltung gegenüber Patienten und Kollegen zu verstehen.

Einen neuen Blick entwickeln

So sieht es auch Christoph Krause, der vor zweieinhalb Jahren bei einem Seminar für Doktoranden beim Deutschen Institut für Humor an der Uni Leipzig dabei war. „Ich dachte, solche Schulungen müsse es auch speziell für Ärzte geben – denn wir haben eigene Problemfelder in den Krankenhäusern, bei denen ein neuer Ansatz hilfreich sein kann.“ Gerade bei Menschen, die mit Leid und Tod umgehen müssen, ist Humor aus seiner Sicht ein wichtiges Überlebensmittel. „Dadurch stimme ich mich positiv und lenke mich ab. So entsteht ein neuer Blick auf die Umstände, der vieles leichter machen kann.“ Dabei sei es wichtig, dass das Gegenüber sich gut fühle. Krause, der kurz vor Abschluss seines Medizinstudiums steht und Anästhesist sowie Intensivmediziner werden möchte, hat die Erfahrung gemacht: „Aufwertender Humor hilft mir ebenso wie dem Patienten. Ich wechsele die Perspektive und ermögliche so meinem Patienten eine neue Sichtweise auf die Dinge. Das stärkt die gesunden Anteile in ihm. Natürlich darf er auch schmunzeln oder lachen.“

Welcher Humortyp bin ich?

Verschiedene Techniken, um dies zu erreichen, können die Teilnehmer der zweitägigen Seminare des Projektes „Arzt mit Humor“ kennenlernen.  Krause ist ebenso wie Humor-Expertin und Trainerin Karin Hansmeier davon überzeugt: Jeder hat Humor. Doch zunächst einmal muss die Frage geklärt werden: Welcher Humortyp bin ich? Mag ich eher trockenen Humor oder Selbstironie? Darauf gilt es, sich einzustellen – und auf die Stimmungen sowie die Gefühle des Gegenübers zu achten. „Dann kann man schauen, worauf derjenige reagiert“, erklärt Christoph Krause.

Verschiedene Techniken lernen

Das offene Benennen gehört zu den Techniken, die man sich aneignen kann. „,Inkontinente Patienten sind kein Auslaufmodell‘, hat der Kabarettist Hendrik Bloch einmal gesagt“, nennt Christoph Krause ein Beispiel dafür. Eine typische und meist unangenehme Situation schildert er ebenso wie die Psychologin Birgit Langebartels: Einem Patienten entweicht unwillkürlich ein Furz und eine Schwester kommentiert dies augenzwinkernd: „So pusten wir in Köln die Kerzen aus“, um die Peinlichkeit aufzulösen. Langebartels: „Wenn Pflegekräfte und Ärzte den Patienten mit einer humorvollen, sprich, empathischen Haltung begegnen, fühlen sie sich eher verstanden.“ Ein entsprechendes Klima auf der Station schaffe aber auch Gemeinsamkeit und helfe auf diese Weise, Hierarchien zu überbrücken und einen Austausch zu fördern.

Am Krankenbett üben

Medizinstudent Krause benutzt gerne sprachliche Bilder, um schwierige Sachverhalte für Patienten verständlich zu erklären. „Gallensteine zerschießen“ gehört dazu. „Das ist ein bisschen so wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“, sagt der 29-Jährige. Solche Anregungen aus der Praxis werden den Seminarteilnehmern beim Projekt „Arzt mit Humor“ in Rollenspielen vermittelt, manchmal werden auch kleine Geschichten erzählt, die mit einer humorvollen Wendung anders ausgehen können. Ob die Strategien dann in der Wirklichkeit angewendet werden können, besprechen Ärzte und frühere Seminarteilnehmer regelmäßig bei einem „Humorstammtisch“ in Leipzig. Sie können sie auch beim „Humor-Unterricht am Krankenbett“ mit Patienten üben. Psychologin Birgit Langebartels und ihr Mann, der Herzchirurg Dr. med. Georg Langebartels, beraten Kliniken mit ihrer Agentur „mediccoach“ bei der Umsetzung der Kriterien einer heilsamen Atmosphäre. „Es ist wichtig, dass die Klinikleitung von der Bedeutung eines respekt- und humorvollen Umgangs miteinander überzeugt ist. Sie muss es den Mitarbeitern vorleben – dann gelingt eine Veränderung“, sagt die Psychologin.

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Mehr Informationen gibt es unterwww.rheingold-marktforschung.de(Aktuelle Studien),www.mediccoach.de. Am 27. & 28. Juni 2014 startet das nächste Seminar „Humor auf Rezept?
Die Dosis macht das Gift!“ im Marriott-Hotel Leipzig. Anmelden kann man sich unter
www.arztmithumor.de.