Patienteninfnormation
Kommunikation mit Patienten ist nicht immer leicht. Man versucht, dem Patienten alles genau zu erklären, zuzuhören und auf seine Fragen einzugehen. Doch was passiert, wenn der Patient eine völlig andere Sprache spricht? Manchmal entstehen dann Situationen, die nicht immer ganz freiwillig, eine gewisse Komik mit sich bringen.
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Für einen Medizinstudenten gehört es heutzutage eigentlich zum guten Ton, dass man Englisch spricht. Viele Studien und Fachartikel werden in Englisch veröffentlicht. Möchte man neben seiner Arbeit auch forschen, ist man oft auch international tätig. Ich muss zugeben, dass mein Fachenglisch nicht unbedingt das Beste ist, aber ich denke, dass ich mich im Alltag ganz gut verständigen kann und es auch ganz gut verstehe.
Während eines Spätdienstes auf der Pulmologie hatten wir einmal einen englischsprachigen Patienten, der eine Freundin in Deutschland besucht. Da ich die einzige auf der Station war, die Englisch sprach, sollte ich das Pflegeaufnahmegespräch führen.
Das fängt natürlich ersteinmal mit allgemeinen Fragen an. „How are you?“ Es geht so. Schließlich besteht ja ein Verdacht auf Tuberkulose. Nach den üblichen Fragen zu Kontaktpersonen, häuslicher Situation und diversen anderen Dingen, kamen die Fragen, die auch im deutschen schon nicht angenehm sind. Und zwar die Frage nach Wasserlassen und Stuhlgang. Das war für mich eine Herausforderung. Solche Fragen stellt man im Alltag eher selten. „Hallo, wie geht’s Ihnen? Was macht der Stuhlgang?“. Das kommt vielleicht nicht so gut an.
„Do you have any problems to pee?“ Das ist zwar eher Umgangssprache, aber er wusste, was ich meine. Das ging noch. Da ich aber, ehrlich gesagt bis heute nicht weiß, was Stuhlgang auf Englisch heißt, war das ziemlich umständlich. Na einigen umschreibenden Worten und seltsamen Gesten wusste er aber worauf ich hinaus wollte und konnte mir Auskunft geben. Lachen mussten wir dabei alle beide.
Solange es sich um Englisch handelt, geht es also noch. Irgendwie kommt man mit der Situation zurecht und kann sich verständigen. Handelt es sich aber um türkisch, sieht die Welt schon anders aus.
Als ich damals noch als Arzthelferin gearbeitet habe, führten ein Schreibfehler und mangelnde Türkischkenntnisse zu einer kuriosen Situation. Unsere Praxis lag in einem Stadtteil, in dem viele Kulturen aufeinander trafen. Die meisten unserer Patienten sprachen meist so gut Deutsch, dass man sich verständigen konnte. Aber es kam einmal dieser eine, recht junge Patient, der leider kaum Deutsch und kein Englisch sprach.
Ich holte ihn zur OP-Vorbereitung ins Sprechzimmer. In der Akte las ich „Tumor linke Leiste“. Mein erster Gedanke war „Oh nein!“. Patienten arabischer Herkunft mögen es nämlich nicht, wenn fremde Frauen ihre Leistengegend anschauen. Geschweige denn anfassen. Es war aber meine Aufgabe, das OP-Gebiet vorzubereiten. Dazu gehörte auch, dass man rasiert und eventuell auch den Tumor anzeichnet. Ich begann ersteinmal damit Blutdruck zu messen. Dann erklärte ich behutsam und mit Händen und Füßen, dass ich mir jetzt das OP-Gebiet anschauen müsse. Ich bat ihn, die Hose ausziehen. „Nein!“ Ok, damit hatte ich schon gerechnet. Also versuchte ich es wieder mit Erklärungen, diesmal kamen sogar Zeichnungen zum Einsatz. Aber anscheinend waren die nicht sehr gut. „Nein!“ Oh je, was nun? „Aber ich muss doch dort rasieren.“ – „Nein, ist schon rasiert!“ Oha. Das wäre ja gut. Aber angucken musste ich es trotzdem. Mein Chef hasste es, wenn die OPs nicht richtig vorbereitet waren. Ich holte meine Kollegin dazu. Auch zu zweit hatten wir keinen Erfolg. Schlussendlich holten wir unseren Chef, damit er es versuchte. Wir verließen das Zimmer. Als unser Chef dann wieder herauskam schaute er uns verständnislos an und fragte, wo denn das Problem läge und ging kopfschüttelnd davon.
Das wurde uns dann ziemlich deutlich, als der Patient zur OP hereinkam, das T-Shirt auszog und sich auf dem Bauch legte. Und dann war alles klar. Es gab einen Schreibfehler in der Akte. Denn der Tumor befand sich in der linken Lende. Meine Kollegin und ich versanken fast im Boden. Hatten wir doch eben erst noch beide den Patienten bekniet, die Hose herunter zu lassen, damit wir ihn in der Leistengegend rasieren können. Und das wegen eines Tumors in der Lende? Als der Patient weg war, konnten wir uns kaum halten vor Lachen.
Natürlich hätten andere Patienten gesagt, dass sie dort gar nichts haben, sondern am Rücken. Aber gut kommuniziert habe ich trotzdem nicht. Denn man schaut nicht nur in die Akte und handelt danach. Manchmal ist es ganz gut, den Patienten einfach mal zu fragen, was er hat und was gemacht werden soll. Zum einen fühlt sich der Patient einbezogen und zum anderen kann ich darüber nochmal kontrollieren, ob das, was geplant ist, auch stimmt und ob der Patient verstanden hat, worum es geht.
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