Stilblüten in Arztbriefen
Ein „Nachtscheiß“ findet sich immer: Joachim von Königsmarck sammelt lustige Fehler in Arztbriefen und stellt sie auf Facebook. Am Anfang hat der Oberarzt vor allem über seine eigenen Fehler gelacht – und auch jetzt, zwei Jahre nach dem Start von „Stilblüten in Arztbriefen“, geht es ihm nicht darum, sich über jemanden lustig zu machen.
Grafik Ilona Burgarth
Herr von Königsmarck, haben Sie heute schon lustige Fehler in einem Ihrer Arztbriefe gefunden?
Nein, ich habe heute zwar viele Briefe korrigiert, aber da waren kaum Fehler drin. Es könnte aber auch sein, dass meine Mitarbeiter inzwischen sensibilisiert sind und auf keinen Fall auf der Seite landen wollen.
Wie sind sie auf die Idee gekommen, Arztbrief-Stilblüten zu sammeln?
Schon als ich noch in der Ausbildung war, hat einer meiner Kollegen Fehler gesammelt. Das fand ich lustig und hab deswegen auch angefangen. Irgendwann hatte ich drei Din-A4-Seiten voll und dachte: Das könntest du eigentlich mal auf Facebook veröffentlichen.
Das war vor zwei Jahren, inzwischen hat Ihre Seite mehr als 50.000 Likes.
Ja, ich bin immer froh, wenn ich den Leuten eine Freude bereiten kann, ein Post sozusagen der Feierabend-Schmunzler ist.
Gibt es denn wirklich so viele Fehler in Arztbriefen?
Um Gottes Willen! Die Fehler, die wir posten, werden ja meistens noch wegkorrigiert. Die passieren, weil der Schreibdienst sich vertippt hat oder weil der Arzt beim Diktieren genuschelt hat. Meistens werden die Briefe diktiert, dann abgetippt, und dann noch einmal gelesen.
Ist es ihren Kollegen unangenehm, dass Sie die Fehler sozusagen aufdecken?
Am Anfang waren die meisten Fehler von mir selbst. Ich habe zwar auch welche von Kollegen veröffentlicht, aber die fanden das meistens ganz lustig. Inzwischen werden mir die meisten Stilblüten ja zugeschickt. Da muss ich gar nicht mehr auf die Fehler der Kollegen zurückgreifen.Ich merke manchmal an den Kommentaren, dass Kollegen, die offensichtlich im Schreibdienst arbeiten und die Arztbriefe abtippen, sich angegriffen fühlen. Das ist aber nicht meine Absicht. Das soll einfach nur Spaß machen und den stressigen Arbeitsalltag versüßen.
Welche Fehler haben Sie selbst gemacht, die Sie besonders lustig fanden?
„Urin im Blut“ fand ich gut. Oder, der war glaub ich von mir: „Kein Suizid in der Vorgeschichte“ – was ja logisch ist, wenn ich mit dem Patienten sprechen kann.
Und was sind so klassische Stilblüten?
Häufig kommen Tippfehler vor. Aus einem „Puls von 89 die Minute“ wird dann eben ein „Pils von 89 die Minute“. Oder es werden Buchstaben vergessen. Ganz oft hat der Patient dann eben „Nachtscheiß“ statt „Nachtschweiß“. Oder einer hat einen „scherzhaften Darmverschluss“ statt eines „schmerzhaften“.
Lesen nur Ärzte Ihre Seite?
Das weiß ich nicht genau. Anhand der Kommentare nehme ich an, dass Ärzte dabei sind, Leute aus dem Rettungsdienst, Schreibdienst und vom Pflegepersonal. Ich gehe mal davon aus, dass 80 Prozent der Leute medizinisch bewandert sind. Denn bei vielen Stilblüten braucht man eine gewisse Wortkenntnis, um sie zu verstehen.
Sie haben jetzt ja schon eine ganz ansehnliche Sammlung. Machen Sie so lange weiter, bis keiner mehr Fehler macht?
Nee, das hoffe ich nicht – dann hätten wir ja keine Stilblüten mehr. Ich finde vieles selbst immer noch sehr lustig. Man könnte ja meinen, nach zwei Jahren hat man alle Fehler schon einmal gesehen. Nachtschweiß/Nachtscheiß bekomme ich tatsächlich mindestens einmal die Woche zugeschickt. Aber es sind immer noch Sachen dabei, bei denen ich denke: Da wäre ich ja nie drauf gekommen, dass man solche Fehler machen kann.
Gibt es für Sie Sachen, die Sie nicht veröffentlichen würden?
Thematisch gibt es keine No-Gos. Was ich nicht poste, sind zum Beispiel Diktierbefunde ausländischer Kollegen. Jedenfalls dann nicht, wenn das diskreditierend ankommen würde. Wenn da einer eine Anamnese in schlechtem Deutsch schreibt, weil er es nicht besser kann, dann finde ich das nicht lustig – wir sind ja froh, wenn die Kollegen uns helfen. Wichtig ist mir noch, dass ich den Witz in einem Satz erzählen kann. Manchmal werden mir lustige Geschichten aus dem Arbeitsalltag geschickt – das ist eher nichts für die „Stilblüten“-Sammlung.
Joachim von Königsmarck, 42 Jahre alt, arbeitet als Oberarzt in der Psychiatrie der LWL-Klinik Lengerich, Abt. Rheine, Nordrhein-Westfalen.
Die „Stilblüten in Arztbriefen“ finden sie auf Facebook unter www.facebook.com/arztbriefperlen/ – auch ohne angemeldet zu sein.