Digitale Pathologie
Redaktion ich binarzt.de
Zunehmend nutzen die medizinischen „Spurenleser“ hochleistungsfähige digitale Systeme, um Gewebeschnitte über einen Scanner oder ein Live-Mikroskop einzulesen und am Bildschirm zu analysieren. Patienten profitieren davon, dass sich Experten schnell, unkompliziert sowie überregional und international austauschen können.
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Wenn die Diagnose Krebs gestellt wird, werden meist Operationen und Chemotherapien notwendig. Pathologen sind diejenigen, die anhand von veränderten Gewebe- und Zellstrukturen die verschiedensten Karzinome erkennen. Nach wie vor ist dabei das Mikroskop das wichtigste Werkzeug. Zunehmend nutzen die medizinischen „Spurenleser“ hochleistungsfähige digitale Systeme, um Gewebeschnitte über einen Scanner oder ein Live-Mikroskop einzulesen und am Bildschirm zu analysieren. Patienten profitieren davon, dass sich Experten schnell, unkompliziert sowie überregional und international austauschen können.
Jede Krebsdiagnose wird von einem Pathologen gestellt. Die klassische Beurteilung von Gewebeproben erfolgt bislang so: Das zum Beispiel während einer Operation entnommene Gewebe beurteilt der Pathologe erst makroskopisch, also mit dem bloßen Auge hinsichtlich Größe, Gewicht und Ausbreitung zum Beispiel von Tumorzellen. Die in einem mehrstufigen Verarbeitungsprozess in Paraffinwachs eingebetteten, mikrometerfein geschnittenen und auf Glasobjektträger gezogenen Gewebeschnitte analysiert der Pathologe dann mikroskopisch und beschreibt sie detailliert.
Zunehmend nutzten Pathologen leistungsfähige Systeme, um Gewebeschnitte über einen Scanner einzulesen und am hochauflösenden Bildschirm zu betrachten. Wie unter einem modernen Lichtmikroskop kann der Pathologe das Präparat prüfen, unterschiedliche Ausschnitte auswählen und vergrößern. Er kann darüber hinaus einen gleichen Ausschnitt in verschiedenen Färbungen nebeneinander auf den Bildschirm legen und in Ruhe vergleichend auswerten.
Bei der digitalen Pathologie hilft moderne Software bei der Auswertung von Gewebeproben oder Zellkulturen. Welche Funktionen der Mediziner nutzenkann, hängt von dem einzelnen System ab. Der Pathologe kann sich beispielsweise verschiedene Bilder zum Vergleich auf den Bildschirm holen und bequem vergleichen. Auf Knopfdruck lässt er die Bilder in verschiedenen Auflösungen erscheinen. Eine Vielzahl von Funktionen erleichtert ihm die Arbeit. So kann er etwa verschiedene Filter nutzen, um räumlich überlagerte Farbsignale eindeutig voneinander zu trennen und so ein besseres Bild von der Zellstruktur zu gewinnen. Oder er lässt den Computer die Häufigkeit bestimmter Zelltypen in einer Probe zählen, die Aufschluss über bestimmte Krankheiten geben.
„Digitale Informationssysteme erleichtern die Kommunikation erheblich. Das gilt für den Austausch zwischen behandelnden Ärzten und den sie beratenden Pathologen innerhalb einer Stadt genauso wie für die bundesweit zunehmenden Kliniknetzwerke oder internationale Experten. Spezialisten können unkompliziert und schnell herangezogen werden. Für den Patienten bedeutet dies noch mehr Sicherheit bei der Diagnosestellung“, betont Prof. Dr. Werner Schlake, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Pathologen in Berlin. „Die Technik erlaubt ähnlich einer Telefonkonferenz ein visuelles Live Consulting. Auf kurzem Wege erfolgt so der Austausch mit Experten – wenn nötig über Landesgrenzen und Kontinente hinweg.“
Besondere Möglichkeiten bietet die digitale Live-Mikroskopie. Hierbei wird der Gewebeschnitt in einem Objektträger-Halter des digitalen Systems fixiert. Der Pathologe kann dann wie unter einem Mikroskop am Computer per Mausklick über den Gewebeschnitt navigieren, scharf stellen, diesen drehen, vergrößern und alle gewünschten Ansichten direkt am Bildschirm betrachten.
Die Live-Mikroskopie hilft Zeit einzusparen, wenn vom Pathologen vor Ort eine zweite Meinung durch einen entfernt praktizierenden Pathologen gefragt ist – zum Beispiel bei einer laufenden Operation. Die während der Operation entnommene Gewebeprobe wird auf schnellstem Wege einem weiteren Pathologen übermittelt, der diese analysiert und die Bilder auch dem Operateur bei Bedarf direkt auf den Bildschirm im OP-Saal schicken kann. Der Chirurg kann dann seine operative Strategie unmittelbar an dem Befund ausrichten. Für den Patienten bedeutet dies im Einzelfall, dass Folgeoperationen erspart bleiben.
Bundesweit gibt es rund 1.500 Pathologen; insgesamt zu wenige, um die wachsende Nachfrage nach Befunden zu sichern. „Jede einzelne Pathologin und jeder einzelne Pathologe wird gebraucht“, so Prof. Schlake. „Die digitale Pathologie eröffnet speziell den Kolleginnen neue Chancen, im Beruf zu bleiben – auch dann, wenn sie eine Familienzeit einlegen. Die Bilder können bequem auf dem Rechner Zuhause analysiert werden. Als Pathologen sind wir ja Musterfinder – eine sichere Diagnose erfordert viel Erfahrung, besonders im Bereich der Früherkennung von Tumoren. Um den Blick für die Details zu behalten, müssen wir alle im Training bleiben.“
Noch hat sich die digitale Pathologie in Deutschland nicht durchgesetzt. Ein Argument der Kritiker sind die entstehenden Kosten von rund 70.000 Euro pro Arbeitsplatz. Prof. Schlake sieht die Entwicklung so: „Auch wenn aktuell noch wichtige Fragen zur Handhabung des Datenumfangs und der Datensicherheit zu beantworten sind, gehört die Zukunft der digitalen Pathologie. Wann sie Standard wird, ist nur eine Frage der Zeit.“
BU: Prof. Werner Schlake, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Pathologen
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