Dienstag, 13. Juni

Nahrungspsychologie

Erkenntnisse

von Hannah Hilgers

Essen ist Kopfsache. Und das obwohl es doch eigentlich eher durch den Magen gehen sollte. Das tut es natürlich auch, doch während sich in unserem Magen-Darmtrakt verdauungstechnisch nur das Nötigste abspielt, findet in unserem Kopf allerhand Skurriles statt.

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Henley Design Studio | unsplash.com

Heutzutage schreiben wir unserer Ernährung eine derart große Bedeutung zu, dass wir manchmal glatt vergessen, unser Essen zu genießen. So machen wir uns zunächst einmal Gedanken darüber, was wir essen, bevor es denn überhaupt dazu kommt: Ist das Gemüse gesund? Welche Vitamine nehmen wir auf? Wurde das Obst biologisch korrekt angebaut? Und wie sieht’s eigentlich im Hühnerstall aus, aus dem mein Frühstücksei kommt? In Zeiten von Übergewicht fragen wir uns außerdem: Macht mich das Essen dick? Und welche Menge sollte ich eigentlich zu mir nehmen?

Es scheint, als sei uns über die Jahre hinweg unsere Intuition verloren gegangen, die die oben exemplarisch gestellten Fragen überflüssig werden lässt. Um ein Bewusstsein für den Wahnsinn in Sachen Nahrungspsychologie zu schaffen, haben wir zehn Food-Facts zusammengetragen, die aufzeigen, welch verrückte Dinge das Zusammenspiel von Psyche und Nahrung hervorbringen können.

Unsere Beziehung zum Essen

Der amerikanische Psychologie-Professor Paul Rozin erklärt in seinem Buch „Attitudes to Food and the Role of Food in Life in the U.S.A., Japan, Flemish Belgium and France: Possible Implications for the DietHealth Debate“, dass Essen nicht nur für unser physisches, sondern eben auch für unser psychisches Wohl verantwortlich ist. Wir Deutschen scheinen das oftmals nicht wahrhaben zu wollen, pflegen wir doch eine eher kritische Beziehung zu unserem Essen. Wenn überhaupt. Kaufen wir Nahrung ein, geht es doch in erster Linie darum, dass es zum einen günstig und zum anderen schnell zuzubereiten ist. Fast Food sein Dank frönen wir dem amerikanischen Lifestyle und eignen uns immer mehr eine Mentalität an, die Franzosen beispielsweise gänzlich unbekannt ist: Oder haben Sie etwa schon einmal einen solchen mit einem guten Glas Wein durch den Drive-In Schalter fahren sehen?

Sättigungspunkt? Kenn ich nicht!

Die meisten Menschen gehen davon aus, dass die Menge ihrer Nahrungsaufnahme das Resultat des Hungers ist, den sie haben. Falsch! Auch andere Faktoren spielen hier eine Rolle. So neigen wir dazu, von größeren Tellern auch eine größere Portion zu essen.

Ein Experiment, das zeigt, dass wir unseren Sättigungspunkt heutzutage kaum noch erkennen, machte den amerikanischen Ernährungswissenschaftler Brian Wansink berühmt. Er erhielt für seine Forschung, die als „Bottomless Bowl Principle“ bekannt wurde, den Anti-Nobelpreis. In seinem Experiment untersuchte Wansink das menschliche Essverhalten, indem er Personen aus einer Suppenschüssel essen ließ, die sich unbemerkt von den Teilnehmern selbst nachfüllte. Wansink fand so heraus, dass unser Appetit nicht etwa davon abhängt, wie hungrig oder satt wir sind, sondern vielmehr davon, ob unser Teller leergegessen bzw. in dem Fall unsere Suppenschüssel leergelöffelt ist.

Essen ohne Verstand

Das Essen ist für uns zur Routine geworden, sodass wir fast kaum noch bemerken, dass wir es tun. Der eingeschaltete Fernseher, das Telefonat mit dem Arbeitskollegen oder die Zeitschrift in der Hand lassen die Nahrungsaufnahme zur Beiläufigkeit werden. Und das kann fatal sein! Während wir Tempo, Geschmack und anderen Feinheiten keine Beachtung mehr schenken, schaufeln wir in dem Moment vielleicht schon die fünfte Portion in uns hinein, obwohl unser Sättigungsgefühl völlig unbemerkt schon nach der zweiten Schüssel eingesetzt hat. Das Essen ohne Verstand lässt uns nicht nur mehr essen, sondern verschafft auch weniger Genuß!

Fat = bad

Durch Diäten verteufelt und heutzutage fast schon gesellschaftlich verpönt: das fettige Essen. Durch Kampagnen, Bücher und Artikel in Frauenzeitschriften gefördert, verbannte man Fett in der Vergangenheit völlig zu Unrecht von den Speiseplänen. Dicht gefolgt von den Kohlenhydraten, die in jüngster Zeit auch nicht unwesentlich in ihrem Ansehen gelitten haben. Dabei verlangt eine gesunde Ernährungsweise einen Blick über den Tellerrand, der wiederrum erkennen lässt, dass es darauf ankommt, welche Art von Fetten und Kohlenhydraten wir zu uns nehmen. Bei Letzteren ist zum Beispiel darauf zu achten, dass es sich um komplexe Kohlenhydrate handelt, die der Körper sinnvoller verarbeitet, als die einfachen Kohlenhydrate. Bei Fett sollten wir die pflanzlichen den tierischen Fetten vorziehen.

Die Entwicklungen zeigen, dass wir uns ernährungstechnisch irreführen lassen und kaum hinterfragen, was uns die Diätindustrie auftischt. Dabei ist genau das von größter Bedeutung!

Gemeinsam essen

„Alleine essen macht dick“ – eine Warnung, die man im Kindesalter nicht selten zu hören bekommt. Doch ist da wirklich etwas dran? Fakt ist, dass es darauf ankommt, wie und was wir essen – egal ob alleine oder in Gesellschaft.

Tatsächlich aber treibt so eine Essensverabredung auch in anderer Hinsicht ganz schön viel Unfug mit unserer Psyche. Äußere Umstände erschweren mitunter die Nahrungsaufnahme, wenn diesen eine höhere Bedeutung zugeschrieben wird, als dem Essen an sich. So kann der aktuelle Lebenspartner wohl kaum über das gemeinsame Mittagessen mit der Verflossenen lachen, auch wenn es dabei nur um die reine Nahrungsaufnahme ginge.

Im Alter verlieren wir den Geschmack

Ein Irrtum! Zwar funktionieren die Geschmackknospen im hohen Alter nicht mehr so einwandfrei wie vielleicht noch in der Jugend, doch tatsächlich ist es eher unsere Nase, die uns hier übel mitspielt. Diese ist neben besagten Geschmacksknospen nämlich auch dafür verantwortlich, dass wir etwas schmecken. Da unser Geruchssinn aber mit den Jahren abschwächt, haben wir im Seniorenalter das Gefühl, unser Essen nicht mehr so gut zu schmecken.

Es ist nicht immer das drin, was drauf steht!

Spannende Bezeichnungen und aufwendig gestaltete Verpackungen sind Marketinginstrumente, denen beim Blick auf die Supermarktregale große Beachtung geschenkt wird. Nicht nur von Seiten der Unternehmen (Ja, die wissen, dass das funktioniert!), sondern auch von unserer Seite (Ja, das funktioniert bei uns!). Ähnlich läuft das natürlich auch mit der Preispolitik. Der teure Wein schmeckt schließlich viel besser als der günstige. Oder etwa nicht?!

Eine Studie ist aber noch einen Schritt weiter gegangen. Während einer Personengruppe die Räucherlachscreme als Eis verkauft wurde, präsentierte man es der anderen als herzhaftes Mousse. Dass das Eis weniger gut, das Mousse dafür aber umso besser ankam, kann man sich beim Gedanken daran fast schon denken. Das Experiment zeigt, welchen Einfluss die Bezeichnung und die konventionelle Verwendung von Nahrungsmitteln auf unser Verhalten und unsere Einschätzung haben.

Emotionales Essen

Ist es möglich, dass nicht nur unser Appetit einen Einfluss darauf hat, was wir essen, sondern hat vielleicht auch unsere Gefühlslage ein Wörtchen mitzureden? Jein. Zwar haben Studien herausgefunden, dass wir bei schlechter Laune und Stress eher dazu tendieren, zuckerhaltiges und fettiges Essen zu uns zu nehmen, doch gute Laune bringt uns nicht gleichzeitig dazu, uns besser zu ernähren!

Kleine Veränderungen vs. Crashdiäten

Die Einladung auf dem Tisch und das immer noch Kleid zu eng – eine Situation, die förmlich nach Kohlsuppe schreit! Doch helfen Crashdiäten wirklich weiter? Natürlich nicht, das wissen nicht nur wir, sondern auch diejenigen, die sie regelmäßig betreiben. Der altbekannte Jojo-Effekt lässt grüßen und verhindert, dass man sich dauerhaft an den paar Kilos weniger auf der Waage erfreuen könnte. Nichtdestotrotz wird die Crashdiät von vielen praktiziert und das, obwohl es so einfach sein könnte: schon mit kleinen Veränderungen im Speiseplan können wir große Ziele erreichen. Wer uns davon abhält? Oftmals unser Kopf, der es uns viel schmackhafter macht, nur ein paar Tage auf die Burger zu verzichten, statt sie für immer durch etwas Gesünderes zu ersetzen.

Ideen essen

Du bist, was du isst. Ein Motto, das sich Menschen schon über Jahrhunderte hinweg zu Eigen machen. Seit jüngster Vergangenheit trägt die Bio-Bewegung dieser Vorstellung Rechnung und sorgt dafür, dass Menschen weniger die Nahrung selber, als viel mehr die Idee, die sich dahinter verbirgt, verspeisen. So haben Untersuchungen herausgefunden, dass Bio-Nahrungsmittel nicht zwangsläufig gesünder sind, Konsumenten von ebendiesen ihre Ernährungsweise aber automatisch als wesentlich gesünder einschätzen. Ein Trugschluss!

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