Donnerstag, 15. Juni

Rettet das Phantom

Notfallkurse | Immer im Einsatz

von Johanna Weiß

Als Arzt trägt man viel Verantwortung. Man stellt Diagnosen, trifft Therapieentscheidungen und muss im Notfall entsprechend reagieren können. Gerade die Notfallsituationen treiben vielen Ärzten den Angstschweiß auf die Stirn. Denn egal, ob man Augenarzt ist oder Anästhesist, als approbierter Arzt ist man verpflichtet, im Notfall adäquat handeln zu können. Um darauf vorzubereiten, finden schon während des Studiums immer wieder Notfallkurse statt, bei denen man die wichtigsten Dinge auffrischen kann.

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Es ist Montag früh 7:30Uhr. Ein Notruf ereilt die Studenten des Anästhesiekurses. Das Phantom Nr. 3 ist im Notfallsimulationszentrum kollabiert und nun bewusstlos. Vier Studenten eilen dem Phantom zu Hilfe. Jede Minute zählt. Ein Student spricht das Phantom an – keine Reaktion. Auch der Schmerzreiz lässt das Phantom nicht aufwachen. Der Student prüft nun die Atmung – nach knapp zehn Sekunden sind weder Atemgeräusche hörbar, noch Thoraxbewegungen auszumachen. Der Teamleader gibt die Anweisung zur Herzdruckmassage. Ein weiterer Student beginnt mit der Maskenbeatmung, ein anderer holt einen Defibrillator herbei und schließt das Phantom an die Elektroden an.

Nun halten alle kurz inne –  Rhythmusanalyse. Das EKG zeigt ein Kammerflimmern. Der Defibrillator wird geladen. „Achtung Schock – alle weg!“ kommt als Anweisung vom Teamleader und dann wird der erste Schock ausgelöst. Sofort werden die Herzdruckmassage und die Beatmung im Verhältnis 30:2 fortgesetzt. Nach zwei weiteren Zyklen wird die nächste Rhythmusanalyse durchgeführt. Immernoch Kammerflimmern. Der Defibrillator wird erneut geladen – „Achtung Schock“. Wieder geht es mit Herzdruckmassage und Beatmung weiter. Ein Student legt einen Zugang und beginnt 1mg Adrenalin und 300mg Amiodaron aufzuziehen.

Auch nach der dritten Rhythmusanalyse muss geschockt werden und es kommen nun das Adrenalin und das Amiodaron zum Einsatz. Nach weiteren drei Reanimationszyklen zeigt das EKG einen Sinusrhythmus mit einer Frequenz von 70 Schlägen pro Minute an. Alle atmen auf. Der Blutdruck ist 100/60 mmHg. Endlich hat das Phantom wieder einen Kreislauf. Da es noch nicht atmet, wird es nun intubiert. Ein durchgeführtes 12-Kanal-EKG zeigt eine ST-Hebung. Unser Phantom hatte also einen Herzinfarkt.

An dieser Stelle unterbricht der Kursleiter und wir besprechen in der Gruppe, wie sich unsere vier Studenten geschlagen haben. Außer ein paar Kleinigkeiten lief alles glatt und sie haben das super gemacht. Wir besprechen noch einmal in Ruhe den Reanimationsalgorithmus und gucken uns die verschiedenen Herzrhythmen an. Was ist defibrillierbar und was nicht? Welche Medikamente gibt man, wenn kein schockbarer Rhythmus vorliegt? Diese und viele weitere Fragen klären wir während des Kurses.

Es dauert nicht lang und die nächste Notfallsimulation ist dran. Diesmal gehöre ich zum Einsatzteam. Ein 60-jähriger Mann ist an einer Imbissbude zusammengebrochen, als er Bratwurst gegessen hat. Wir stürzen uns auf das Phantom und beginnen der Reihe nach alles zu überprüfen. Der Mann ist bewusstlos und hat keine Atmung. Auf Nachfrage erfahren wir, dass unser Patient kurz vor seinen Zusammenbruch von der Bratwurst abgebissen hat. Jedoch ist im Moment nichts im Mund- oder Rachenraum zu entdecken.

Ich beginne mit der Herzdruckmassage. Eine weitere Studentin beatmet das Phantom mit der Maske und ein anderes Mitglied unseres Teams schließt wieder den Defibrillator an. Es folgt wieder eine Rhythmusanalyse – Kammerflimmern. Der Defibrillator wird also wieder aufgeladen und wir verabreichen den ersten Schock. Weiter geht’s mit der Herzdruckmassage. Die Kommilitonin, die beatmet hat, und ich tauschen die Positionen. Als nach 30 Thoraxkompressionen die Atempause folgt, schaue ich noch einmal in den Mund und kann nun tief im Rachen ein Stück Bratwurst entdecken. Mit einer Magill-Zange entferne ich den Übeltäter. Nun läuft die Beatmung doch gleich viel besser.

Nach dem zweiten Schock hat unser Patient dann auch wieder einen Sinusrhythmus. Wir intubieren ihn und machen ihn fertig zum Transport ins Krankenhaus. Unser Phantom ist gerettet und die Simulation beendet.

Im Laufe des Praktikums hat unser armes Phantom noch einige Kreislaufstillstände erlitten. Einmal ist es im Flugzeug auf dem Weg zur Toilette kollabiert, dann ist es beim Einbruch auf ein Bahngelände in die Stromleitungen geraten und zu guter Letzt war es eine 90-jährige Dame, die kardiovertiert werden musste. Doch jedes Mal konnten wir es retten. Wenn es in der Realität doch auch immer so klappen würde.

Nach unserem Praktikum waren wir ganz schön erschöpft. So eine Reanimation ist doch anstrengender, als man glaubt. Trotzdem fand ich es super. Wir hatten die Chance, alles in Ruhe zu üben und hinterher darüber zu sprechen. In solch einem Praktikum ist Raum für Fehler, aus denen man lernen kann. Fehler, die im wahren Leben vielleicht über Leben und Tod entscheiden.

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