Freitag, 16. Juni

So wird Sport kein Mord

Sport und Beruf

von Natascha Plankermann

Wenn ein Hobbysportler mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Praxis humpelt, dann braucht guter Rat oft Zeit. Erfahrene Reha-Experten sagen, worauf Ärzte achten und wie sie ihren Patienten helfen können.

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Beim Fußball oder Handball holt man sich im Gerangel auf dem Spielfeld eine Zerrung oder einen Bänderriss, Volleyballer knicken mit dem Fuß um und beim Mountainbiking bewirken spektakuläre Stürze blutende Schürfwunden – das alles sind Gründe, die Bewegungsmuffel immer wieder dafür anführen, weshalb sie es wie der ehemalige britischen Premierminister Winston Churchill halten: „No Sports!“ Dabei gibt es Mittel und Wege, richtig zu trainieren und dadurch Verletzungen oder Schäden im Körper zu vermeiden.

Breitensportler brauchen Beratung

Klar ist: Die Sportler, die sich mit Schmerzen in die Hausarztpraxis schleppen, gehören meist nicht der Profi-Liga an. „Denn wer beispielsweise regelmäßig Marathon läuft, der kennt sich und seinen Körper – er weiß, wie man sich verhalten muss und hat meist einen Arzt, dem er vertraut“, sagt Ulrich Häussermann. Bei Breitensportlern und vor allem bei solchen, die nach längerer Auszeit wieder aktiv werden, ist das in der Regel nicht der Fall. Schnell gibt es ungewollte Zusammenstöße, Verletzungen am Knöchel beim Volleyball oder Kreuzbandrisse und Meniskusverletzungen beim Skifahren durch Scher- und Drehbewegungen zwischen dem Unterschenkel und Knie. „Und das sind nur die akuten Sportverletzungen – hinzu kommen die sogenannten Sportschäden durch chronische Überlastung“, sagt Diplom-Sportwissenschaftler Häussermann.

Nicht selten entwickeln sich Probleme während der Bewegung nämlich erst mit der Zeit – weil jemand zum Beispiel X-Beine aufgrund einer Achsenfehlstellung hat oder seine Gelenke beim Joggen falsch belastet, da seine Beine unterschiedlich lang sind. „Auf Dauer kann das eine Ursache für Arthrose sein“, so Häussermann.

Ulrich Häussermann, Diplom-Sportwissenschaftler und Leitender Sporttherapeut in der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik und die Leitende Physiotherapeutin Julia Noss wissen, wie Ärzte ihren Patienten dabei helfen können.

Sich Zeit für die Diagnose nehmen

Aus diesem Grund können Ärzte ihren Patienten seiner Erfahrung nach am besten dauerhaft helfen, wenn sie sie gut beraten und sich für die Diagnose Zeit nehmen. Häussermann: „Es ist wichtig, Breitensportler darauf hinzuweisen, dass ihre Vorbereitung umso gezielter sein muss, je komplexer die Bewegungsanforderungen sind.“ Ärzte sollten Sportanfängern oder Wiedereinsteigern eher zu den sogenannten Vorwärts-Sportarten (Schwimmen, Laufen, Radfahren usw.) raten.

Die Diagnose kann eine Herausforderung bedeuten, wenn ein Patient über Schmerzen klagt: „Sollte es in der Leistengegend zwicken, dann gibt es eine Vielfalt möglicher Gründe“, erklärt der Sporttherapeut. Er rät: Beschwerden ernst nehmen und nicht gleich bloß auf eine Muskelzerrung tippen. „Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder im Zweifel auch MRT helfen bei der Ursachensuche. Achsenfehlstellungen oder unterschiedliche Beinlängen können beispielsweise durch eine Laufbandanalyse erkannt werden. Dann gilt es, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.“

Dazu gehören nicht nur speziell angefertigte, sensomotorische Einlagen für die Sportschuhe, um etwa Fehlstellungen der Beine auszugleichen und das schwächelnde Fußgewölbe zu stützen. „Es gibt auch besondere Übungen, um die Gelenke zu mobilisieren“, ergänzt Physiotherapeutin Julia Noss. So könne man etwa mithilfe der Übung „Kurzer Fuß“, die nach dem tschechischen Neurologen Vladimir Janda benannt ist, physiologisch günstige Bewegungsmuster wieder erlernen und Fehlhaltungen vermindern.

Reha-Sport bringt Patienten in Bewegung

Es geht darum, dass die Menschen in den Aktiv-Modus kommen. Foto: DBKG

Insgesamt wünschen sich die Experten, dass Ärzte ihre Patienten mehr zum Reha-Sport animieren, statt ihnen Krankengymnastik zu verordnen. Noss: „Es geht darum, dass die Patienten in den Aktiv-Modus kommen und sich unter Anleitung bewegen.“ 18 Monate Reha-Sport oder 50 Termine lassen sich laut den Experten budgetneutral verordnen – bei manchen Patienten sei es sogar sinnvoll, bis zu 36 Monate und 120 Termine anzuberaumen. Die Erfahrung zeigt laut dem Sporttherapeuten Ulrich Häussermann, dass die Patienten nach rund 40 Terminen gar nicht mehr den ursprünglichen Grund ihres Kommens im Sinn haben, sondern Spaß daran bekommen, eine gute Zeit mit Gleichgesinnten beim Sport zu verbringen.

Die PECH-Regel befolgen

Auf diese Weise wird quasi nebenbei dem Bewegungsmangel und damit auch Sportverletzungen, die durch die Ungeübtheit entstehen, entgegengewirkt. Vorbeugen lässt sich laut Häussermann aber auch durch die passende Schutzausrüstung, zum Beispiel beim Mountainbiking, und durch das Aufwärmen, bevor es losgeht. Aktive sollten nach seinen Worten zudem besser kombinierte Bewegungen anstatt einzelner Muskelgruppen – zum Beispiel mit einer Beinpresse – trainieren.

Verletzt man sich dann trotz alledem, wird laut Sport- und Physiotherapeuten immer noch zu selten die so genannte PECH-Regel angewandt. Die Buchstaben stehen für:
Pause – was bedeutet, dass das betroffene Körperteil ruhig gehalten und nicht weiter belastet wird.
Eis – das heißt Kühlung (nicht auf nackter Haut!), um Blutungen und Schwellungen durch eine Verengung der Blutgefäße zu erreichen. Gleichzeitig verlangsamt sich der Stoffwechsel im Gewebe, weshalb sich Schäden langsamer ausbreiten, und der Schmerz wird gelindert.

Compression – Blutungen und Schwellungen werden mithilfe eines Kompressionsverbandes ausgebremst.
Hochlagern – das Blut fließt besser zurück und dringt nicht so stark in das Gewebe rund um die Verletzung ein, wenn das verletzte Körperteil hochgelagert wird.

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