Donnerstag, 15. Juni

Vom Traumberuf zum Alptraum

Burnout

von Yavi Bartula

Eine US-amerikanische Studie hat jetzt belegt, dass Burnout unter Ärzten stärker verbreitet ist, als bisher angenommen. Die Folgen nehmen bedrohliche Dimensionen an.

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Dass Ärzte besonders häufig von Burnout betroffen sind, haben wir bereits feststellen und verkünden müssen.Dass aber fast 50 % eindeutige Symptome für eine mentale und physische Erschöpfung aufzeigen und damit andere Berufsgruppen um das Zehnfache übersteigen, ist eine erschreckende Neuigkeit. Aber eine unumgängliche, die jetzt Schwarz auf Weiß mit der Veröffentlichung einer landesweiten US-amerikanischen Studie kam. Wir müssen natürlich bedenken, dass unter der Leitung von Tait D. Shanafelt von der Mayo Clinic 7.200 ausschließlich US-amerikanische Ärzte untersucht wurden und die Ergebnisse nicht adäquat auf die deutsche Medizinerbranche übertragen werden können. Doch das Buch „The Truth About Burnout“ bietet eine Orientierung und die Zahlen senden warnende Signale an alle Länder, in denen Ärzte unter kritischen Arbeitsstrukturen leiden.

Und diese Missstände führten laut der Artikels „The Many Dangers Posed by Burned-Out Doctors“ in den 1970er Jahren dazu, dass der Arztberuf zunehmend an Bedeutung und Beliebtheit verlor. Während junge Menschen nachwievor um die wenigen heißbegehrten Studienplätze kämpften, schlugen die erfahrenen Berufstätigen bereits Alarm. Die Studie ergab sogar, dass die Hälfte der befragten Ärzte ihren Kindern von dem Beruf abraten würde. Einige warnten nonverbal, mit Selbstmord. Gleich 1,4 Mal höher ist die Suizid-Rate unter männlichen Ärzten gegenüber der unter Nicht-Ärzten.

Die alarmierenden Symptome unter praktizierenden Ärzten sind folgende: Zynismus, Gereiztheit, emotionale Instabilität, Antriebslosigkeit, Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit. Diese nimmt die betroffene Person zunächst oft selbst nicht wahr, sondern zuerst die Außenstehenden. So auch ein Patient, der genau spürt, ob ihn der Arzt als Mensch oder Objekt behandelt, ihm Zeit und Aufmerksamkeit schenkt oder ihn möglichst schnell abwimmelt. Man könnte jetzt hart argumentieren und sagen, es könne dem Arzt ja egal sein, ob sich seine Patienten nicht genügend verwöhnt fühlten. Er hätte genug anderen Stress und der Patient könnte doch froh sein, überhaupt behandelt zu werden. Doch Sie wissen hoffentlich selbst, dass das nicht der Anspruch ist, den ein guter Mediziner an sich stellen sollte. Nicht nur in seiner Rolle als medizinischer Fachmann und beratender Ansprechpartner mit Vorbildfunktion und großer Verantwortung, sondern auch wegen seiner persönlichen Gefühlswelt und Zufriedenheit. Ein seelisch zerrissener, desolater und emotionsloser Mensch wird sich auf Dauer nicht mit alltäglichen Pflichten ablenken können. Er wird womöglich sogar an diesen zerbrechen.

Bevor er das tut, wird er Fluchtversuche wagen. Und einige davon werden vielleicht an die Grenzen der Legalität stoßen. Denn dass Drogen, Alkohol oder andere Suchtmittel unter intensiv arbeitenden Ärzten keine Seltenheiten sind, ist schon lange bekannt. Von Außen erscheint es paradox, dass gerade Menschen in heilenden und sozialen Berufen auf solche Mittel zurückgreifen und ihnen nicht trotzen können. Doch Burnout kennt keine Berufsgruppen. Die betroffenen Mediziner empfinden auch Überforderung, Frust oder gar Wut, finden keinen angemessenen Anker, keine Motivation, keine Energiequelle, greifen dann zu vermeintlichen Muntermachen, die kurz vergessen und verdrängen lassen. Der Weg in die Depression ist nahezu unausweichlich.

Und wenn sie kommt, wird der Beruf zu einer extremen Belastungsprobe und muss in vielen Fällen sogar an den Nagel gehangen werden. Angesichts dessen, dass sich Burnout unter Ärzten und besonders unter denen in Akuthäusern und im Rettungsdienst zunehmend ausdehnt, steigt auch das allgemein gefürchtete Risiko des Ärztemangels. Was wir an diesem traurigen Trend erkennen, ist nicht nur die faktische Gesundheitsgefährdung eines überarbeiteten Individuums, sondern ein kollektives Gesellschaftsproblem. Und dann befinden wir uns im Teufelskreis: Denn ist der Arzt krank, bleibt es auch der Patient. Wenn wir also uns und den Mitmenschen gegenüber verantwortungsvoll handeln wollen, bleibt nur eine sinnvolle Maßnahme: Der gewissenhafte, rationale und kluge Umgang mit der persönlichen Work-Life-Balance – und wenn die nicht realisierbar ist, eine radikale Veränderung der äußeren Umstände: Eine andere Fachrichtung, die Ihnen weniger Patienten und mehr Zeit bringt, eine ruhigere Einrichtung mit klaren Tagesstrukturen und Arbeitsteilungen, die Ihnen erlaubt, primär zu therapieren statt zu tippen, gegebenfalls sogar Stadtflucht, um dem schnell lebigen, belastenden Charakter einer pulsierenden Großstadt zu entkommen.

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