Dienstag, 13. Juni

Was hab ich

Im Gespräch

von Yavi Bartula

Medizinstudent und Unternehmer Johannes Bittner im Gespräch über ‚Was hab‘ ich?‘ Kennen Sie schon unsere aktuelle Aktion? Wer unseren Newsletter abonniert, spendet, denn wir geben für jede Anmeldung 1 Euro an „Was hab‘ ich?“. Was und wer das ist? Wir stellen es Ihnen im Detail vor.

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Die „Was hab‘ ich?“-Gründer: Anja Kersten, Ansgar Jonietz und Johannes Bittner. Foto: Amac Garbe / ein-satz-zentrale.de

Drei junge Menschen hatten vor zwei Jahren eine innovative Geschäftsidee, die im rasanten Tempo zum Erfolgshit wurde. Anja Kersten, Ansgar Jonietz und Johannes Bittner entwickelten und gründeten das Portal „Was hab‘ ich?“, auf dem Patienten ihre ärztlichen Befunde anonym einschicken und um eine Übersetzung in eine ihnen verständliche Sprache bitten. Um die Anfrage kümmern sich freiwillige Medizinstudenten, die mindestens im 8. Semester studieren. Alles erfolgt unkompliziert, schnell und kostenlos. Erstaunlich, das ein gemeinnütziges Projekt solche Dimensionen in so kurzer Zeit annehmen und bundesweit begeistern kann. Lassen wir uns das Phänomen von Johannes Bittner selbst erklären.

ichbinarzt: Herr Bittner, Sie sind einer der Gründer und Geschäftsführer von „Was hab‘ ich?“. Was hat Sie damals bewegt, dieses Projekt auf die Beine zu stellen?

JB: Im Bekanntenkreis wird man als Medizinstudent häufig darum gebeten ärztliche Befunde zu lesen und die darin enthaltenen Begriffe zu erklären. Auch viele meiner Kommilitonen haben solche Erfahrungen schon öfter gemacht. Es folgte eine kurze Planungsphase zur Frage, wie man Patienten, die keine Mediziner in ihrem persönlichen Umfeld haben, Befunde erklären kann. Schnell wurde klar, dass das nur über das Internet funktionieren würde. Im Gegensatz zu öffentlichen Medizinforen wollteb wir einen Dienst anbieten, der für eine individuelle und qualitativ hochwertige Übersetzung von medizinischen Befunden steht.

ichbinarzt: „Was hab‘ ich?“ ist eine gemeinnützige Organisation. Was motiviert Sie, ein mittlerweile so großes und erfolgreiches Projekt zu führen und am Leben zu halten? Was versprechen Sie sich davon?

JB: Die Herausforderung, aus einer Idee ein funktionierendes Sozialunternehmen aufzubauen, ist groß – bis man daraus ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt hat, kann durchaus viel Zeit vergehen. Für uns als Gründer ist jeder einzelne kleine Schritt in diese Richtung eine tolle Motivation.

ichbinarzt: Das Presseecho ist gigantisch und Ihre Leistung auch: Seit Anfang 2011 haben Sie mehr als 10.000 Arztbriefe dekodiert. Sind Sie stolz? Wenn nicht, was dann?

JB: Das Presseecho hat uns in der Tat beeindruckt, mit so einem Andrang haben wir überhaupt nicht gerechnet. Der erste Befund erreichte uns bereits 12 Minuten, nachdem die Seite online ging. Natürlich macht uns das stolz. Das liegt aber nicht so sehr an der Zahl 10.000, sondern vielmehr am wachsenden Team aus ehrenamtlichen Übersetzern. Ihnen gebührt höchste Anerkennung für das freiwillige Engagement neben dem (nicht immer leichten) Studium.

ichbinarzt: Mit welchen Schwierigkeiten hatten und haben Sie zu kämpfen?

JB: Zu Beginn des Projekts war es eine große Herausforderung, genügend Medizinstudenten zu finden, die Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit neben dem Studium hatten. Eingesendete Befunde gab es zu dieser Zeit bereits genügend. Später war es genau andersrum: Es gab nicht mehr genügend Befunde für das inzwischen größer gewordene Medizinerteam. Heute übersteigt die Zahl der Befunde unsere Bearbeitungskapazität bei weitem, sodass wir inzwischen sogar ein virtuelles Wartezimmer einrichten mussten.

Eine weitere Herausforderung stellt die Finanzierung des Projekts dar. Da die Befundübersetzung für jeden Nutzer kostenfrei bleiben soll und die Übersetzung auf freiwilliger Basis erfolgt, sind wir zur nachhaltigen Finanzierung von „Was hab’ ich?“ auf ein vernünftiges Geschäftsmodell angewiesen.

ichbinarzt: Eigentlich machen Sie etwas, was die meisten Ärzte verachten: Papier- und Schreibkram. Macht es wirklich Spaß, Befunde umzuschreiben?

JB: Es gehört sicherlich zu den Aufgaben eines Arztes, Befunde zu schreiben. Für die Medizinstudenten bietet die Übersetzung der Befunde darüber hinaus eine sehr gute Chance, ihre fachlichen Kenntnisse zu erweitern. Außerdem haben sie so bereits im Studium die Möglichkeit, komplizierte Sachverhalte in einer für den Patienten verständlichen Sprache darzustellen. Die Arbeit an einer Übersetzung darf aber nicht unterschätzt werden. Durchschnittlich braucht ein Mediziner drei bis vier Stunden für die Übersetzung eines Befundes. Der „Spaß“ steckt also nicht direkt in der Übersetzung, sondern kommt eher durch das gute Gefühl, danach jemandem geholfen zu haben. Gibt der Patient anschließend noch ein positives Feedback ab, motiviert das einfach ungemein, gleich den nächsten Befund zu bearbeiten.

ichbinarzt: Wie dürfen wir uns Ihre Aufgabe im Konkreten überhaupt vorstellen? Sind sie mittlerweile nur noch Manager und Geschäftsführer oder sitzen Sie noch selbst am Schreibtisch und leisten Übersetzungsarbeit?

JB: Zu Projektbeginn haben wir die Befunde selbst übersetzt. Uns wurde aber schnell klar, dass das langfristig nicht mehr möglich sein würde. Zusammen mit meinen Mitgründern Anja Kersten und Ansgar Jonietz kümmere ich mich vorrangig um die Organisation des Projekts. Unsere Aufgaben sind dabei sehr vielfältig. Das beginnt bei technischen Verbesserungen der Website, geht weiter über die Bearbeitung von Presseanfragen, Bewerbungsanfragen, sowie Verhandlungen mit möglichen Partnern und Unterstützern und endet bei der Entwicklung neuer Projekte.

ichbinarzt: Haben Sie ein besonderes Erlebnis mit „Was hab‘ ich?“, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? Eine außergewöhnliche zwischenmenschliche Begegnung, ein spezieller Befund, mediale Aufmerksamkeit, eine bestimmte Auszeichnung, ein persönliches und privates Highlight?

JB: Am 15. Januar 2012 haben wir in Dresden unseren ersten Geburtstag gefeiert. Dazu haben wir unter anderem alle ehrenamtlich beteiligten Mediziner eingeladen, da sie den Erfolg von „Was hab’ ich?“ maßgeblich ausmachen. Viele kamen von weit her, und es war ein tolles Gefühl, sich mit den Menschen „live“ zu unterhalten, die man vorher nur virtuell über das Netz kannte.

ichbinarzt: Wenn Sie ärztliche Befunde in eine für Laien verständliche Sprache übersetzen, sehen Sie offenbar Bedarf. Üben Sie damit auch Kritik an der medizinischen Fachsprache und plädieren für eine Veränderung?

JB: Ein Befund ist ja ursprünglich nicht für den Patienten gedacht, sondern dient als Bericht zwischen zwei Ärzten. Er soll möglichst eindeutig und unmissverständlich sein, weshalb man eine eigene Fachsprache nutzt. Natürlich erklären Ärzte ihren Patienten vieles im Gespräch. Oft ist der Patient aber aufgeregt und kann die vielen neuen Informationen nicht aufnehmen und verarbeiten. „Was hab‘ ich?“ möchte das Gespräch zwischen Arzt und Patient nicht ersetzen, sondern es dem Patienten ermöglichen, zusätzlich zum Arztgespräch die erhaltenen Informationen wiederholt in einer gewohnten Umgebung in Ruhe nachlesen zu können. Dadurch kann der Patient sich auch besser auf nachfolgende Arztgespräche vorbereiten. Langfristig möchten wir die Arzt-Patient-Kommunikation verbessern, sodass eine gesonderte Befundübersetzung nur noch selten nötig ist. Bis dahin wird aber noch einige Zeit vergehen, da es sich um einen langsamen Prozess handelt, der sich vor allem im Verhalten zukünftiger Ärzte widerspiegeln soll. Wir möchten also die Fähigkeiten von Ärzten verbessern, komplizierte medizinische Sachverhalte verständlich zu erklären.

ichbinarzt: Apropos Zukunft. Wie soll sie aussehen? Was wünschen Sie sich für „Was hab‘ ich?“ ?

JB: Wir möchten weiterhin so vielen Patienten wie möglich helfen ihre Befunde zu verstehen. Gleichzeitig möchten wir mehr Medizinstudenten zu guten ärztlichen Kommunikatoren ausbilden. Wir wünschen uns, dass das Thema von „Was hab‘ ich?“ weiterhin gut angenommen wird und dass wir unsere gesteckten Ziele mit großen Schritten erreichen.

ichbinarzt: Und wie sehen Sie Ihre Zukunft als Arzt? Wollen Sie überhaupt noch einer werden?

JB: Ab April 2013 werde ich wieder an die Uni zurückgehen, um das letztes Semester meines Medizinstudiums und mein Praktisches Jahr zu absolvieren. Nach dem 2. Staatsexamen werde ich aber sicher ins Projekt zurückkehren, da ich der Meinung bin, dass wir durch „Was hab‘ ich?“ wirklich vielen Patienten helfen können.

ichbinarzt: Daran besteht kein Zweifel. Alles Gute für die Zukunft und vielen Dank das tolle Gespräch.

Befunde, ehrenamtlich, Interview, johannes bittner, 
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